Ruhe Sanft
er plötzlich an der Ecke Water und Wall Street in einen Abfalleimer warf.
Aber es war gar kein Schirm, es war ein Spazierstock.
Wetzon knallte den Hörer auf. »O nein, das durfte er mir nicht antun.«
»Was an tun?« fragte Smith geistesabwesend. Sie hatte Börsenberichte auf dem Schreibtisch ausgebreitet, die sie studierte. »Greg Castalde — er hat bei Merrill aufgehört«, sagte Wetzon empört. »Ich bin wirklich sauer. Er hat versprochen, dieses Mal nicht ohne mich zu wechseln.«
Smith sah auf. »Ich habe dir ja gesagt, du sollst nie glauben, was Makler erzählen. Die sind alle gleich schlecht. Wo ist er jetzt?«
Wetzon hatte das Telefon schon wieder abgehoben und hackte wütend auf die Tasten. »Greg Castalde, bitte.« Ihre Stimme war die pure Freundlichkeit. »Ah, ja«, sagte sie mit ihrer besten Schulmädchenimitation, »ich suche Greg. Ich habe gerade gehört, daß er nicht mehr bei Ihnen ist. Nein.« Sie lächelte und wußte, daß das Lächeln über das Telefon zu spüren war. »Ich bin keine Kundin... bloß eine alte Freundin vom College...« — sie sah rasch auf der Karteikarte nach — »...vom Northwestern. Ich bin nur den einen Tag in der Stadt, zum Einkäufen... und bei ihm zu Hause nimmt niemand ab... ach, das wäre nett von Ihnen... vielen Dank.«
Sie legte zufrieden auf. Warum sie allerdings zufrieden war, wo das Miststück ohne ihre Mitwirkung gewechselt hatte, konnte sie nicht sagen. Kleine Siege. Und sie liebte es, den Unvorsichtigen Informationen zu entlocken.
»Na, wo ist er?« wollte Smith, die interessiert zugehört hatte, wissen.
»Smith Barney, ist denn das die Möglichkeit?« Wetzon war schon dabei, die Nummer zu wählen, die sie von der Verkaufsassistentin bei Merrill bekommen hatte.
»Greg Castalde.« Toll, er ging selbst ans Telefon.
»Hallo, Greg, Wetzon hier.«
Es herrschte totale Stille, dann lachte er laut heraus. »Nicht zu fassen. Sie haben mich wieder aufgespürt. Wetzon, wie machen Sie das bloß?«
»Schwingungen«, antwortete sie.
»Okay, okay, hören Sie, es tut mir wirklich leid, daß ich ohne Rücksprache...«
»Greg, ich freue mich für Sie.« Hinter sich hörte sie Smith leise verächtlich schnauben. »Ich hoffe, Sie haben etwas für sich herausgeholt... oder haben Sie mit einem anderen Headhunter zusammengearbeitet, Sie Verräter?«
»Was, ich? Wetzon, würde ich Ihnen so was antun?«
»Sie, Greg? Niemals. Nach all den Jahren, die wir uns kennen...«
Er stöhnte auf. »Verschonen Sie mich. Bitte, geben Sie mir eine Chance.«
»Na gut«, sagte Wetzon fröhlich, »Sie können es wiedergutmachen, indem Sie mir Ihr altes Büroadreßbuch schicken...« Sie legte den Hörer auf und machte eine wegwerfende Bewegung zu Smith.
»Dieser Schleimscheißer.« Smith rückte ein wenig an der Andy-Warhol-Zeichnung — einer Rolle Geldscheine mit einem Gummiband darum — , damit sie gerade an der Wand hing. Wetzon hatte sie in einer Galerie an der Madison Avenue gesehen und Smith darauf aufmerksam gemacht. Irgendwie hatte sie Smith überzeugen können, daß es eine gute Investition sei, und sie hatten sie mit einem Teil der Provision für ihre erste Vermittlung gekauft. Wetzon liebte das Bild.
»Mir wäre es lieber, wenn es Tausend-Dollar-Scheine wären«, murrte Smith immer, aber sie freute sich genauso wie Wetzon, daß ihre Investition sich gelohnt hatte. Der Wert war nach Warhols frühem Tod ungeheuer gestiegen.
»Das Bild hing nicht schief«, bemerkte Wetzon.
»Es hängt immer schief«, erwiderte Smith. Sie schüttelte die dunklen Locken und zeigte mit einem grellrot lackierten Fingernagel auf Wetzon. »Und du versuchst, das Thema zu wechseln. Ich habe dir schon hundertmal gesagt, daß Makler kein Gefühl für Loyalität haben.«
»Man kann nicht alle kriegen«, sagte Wetzon philosophisch. »Mit der Maklerliste aus seinem alten Büro könnten wir auf Gold stoßen.«
»Hm. Wieviel hat er gemacht?«
»Um die halbe Million. Quäl mich nicht, Smith.« Sie steckte eine lose Strähne ihres aschblonden Haars in den Knoten oben auf dem Kopf. »Es ist mir durchaus bewußt, daß wir vierzigtausend Dollar gutgemacht hätten.«
Smith wandte sich wieder den Papieren auf ihrem Schreibtisch zu. »Du bist mir eine Frohnatur, Wetzon. Ich weiß nicht, wie du das machst nach soviel Jahren im Geschäft... Also, ich muß sagen, das ist wirklich wunderbar.«
»Was ist wirklich wunderbar?« Wetzon war aufgestanden, wackelte mit den Zehen in ihren Stiefeln, streckte beide
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