1036 - Die Psychonauten-Hexe
Die Frau hockte sich nieder. Sie schlug die Decke noch enger um ihren Körper, als wäre sie eine Raupe, die sich in einen Kokon eingesponnen hatte. Gegen die äußere Kälte mochte sie helfen, nicht aber gegen die innere, denn sie bestand aus Angst vor dem Tod, vor einem furchtbaren und menschenunwürdigen Ende.
Die Schritte verstummten. Wegen der größeren Entfernung waren sie nur leise an ihre Ohren gedrungen, aber sie hatten genau vor der Höhle aufgehört.
Die Männer wußten Bescheid!
Zwei waren es. Das hatte Marianne den Tritten entnommen. Auf ihr Gehör konnte sie sich verlassen. Für einen Moment wunderte sie sich darüber, daß nur zwei gekommen waren. Sonst erschienen sie im Rudel. Sie hatten es sich wahrscheinlich überlegt. Sie wollten keinesfalls auffallen, denn was sie vorhatten, war verboten. Es war grausam und schlimm. Da wurde ein Mensch schlechter behandelt als ein Tier.
Der Eingang zur Höhle hoch oben in der einsamen Bergwelt war nicht durch einen großen Stein verschlossen worden. Auch nicht durch eine Platte. Marianne hatte ihn eigentlich nur abdecken können. Mit Reisig und Astwerk hatte sie ein Hindernis aufgebaut, das natürlich leicht zur Seite zu räumen war.
Es war Nacht. Sternenklar. Keine Wolke am Himmel. Das wußte Marianne. Es war auch keine zu dunkle Nacht, denn hoch oben stand der Mond wie ein rundes Stück Eis, das in einem leichten Gelbton eingefärbt worden war. Es gab das Licht der Gestirne, mehr allerdings nicht, doch es reichte aus, um die herrliche Landschaft wie einen gewaltigen Rundum-Scherenschnitt erkennen zu lassen.
Nicht in ihrer Höhle. Da war es finster. Da roch es nach Rauch und auch nach Angst.
Die Männer lachten. Es war das typische Lachen der Leute, die genau Bescheid wußten. Sie sprachen auch miteinander. Marianne hörte, daß mehrmals ihr Name fiel.
Was sollte sie tun?
Nichts, gar nichts. Sie würde sich gegen die Gewalt dieser Menschen nicht wehren können. Was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatten, das führten sie auch durch. So wie jetzt, denn sie fingen damit an, das Reisig und die Äste vom Höhleneingang wegzuräumen und sparten dabei nicht mit ihren Kommentaren.
»Wir kommen, Marianne.«
»Gleich wirst du geholt.«
»Das Feuer wartet bereits.«
»Du wirst lodern!«
»Wir wollen dich auch schreien hören…«
So und ähnlich lauteten die Kommentare, die an Mariannes Ohren gelangten und ihr klarmachten, was mit ihr geschehen würde, wenn sie aus der Höhle hervorgeholt worden war.
Die Männer gingen brutal vor. Sie zertraten das Reisig. Sie schleuderten die Äste weg. Einige brachen sie auseinander. Bei jedem Geräusch hatte Marianne den Eindruck, als wären es ihre Knochen, die dabei brachen.
Dann sah sie das Licht. Ein roter Schein, durchweht von tiefschwarzen Schatten, tanzte vor dem Höhleneingang, als wollte er die Dunkelheit dort fressen.
Die Männer hatten den größten Teil der Hindernisse zur Seite geräumt. Sehr deutlich zeichnete sich der Eingang ab, auch wenn sein Rand von zuckenden Schatten umtanzt wurde. Die Kerle mußten die beiden Fackeln in den Boden gerammt haben. Wahrscheinlich in eine Felsspalte oder einfach nur in den Schnee gesteckt.
Marianne rührte sich nicht. Mit dem Rücken preßte sie sich gegen die kalte Felswand. Auch das Zittern war verschwunden, abgesehen von einem Beben der Lippen.
Sie blieb hocken und starrte nur nach vorn. Ihre Augen brannten, als wäre Rauch hineingeraten. Kalte Schauer rannen über ihren Körper und lösten sich mit Hitzewellen ab. Alles war so anders geworden. Ihr Leben war vorbei. Sie hatte gedacht, daß die Menschen vernünftiger werden würden, doch das war nicht geschehen. Noch immer gab es Personen, die anderen mehr zutrauten als den normalen Menschen. Sie teilten ihnen böse Kräfte zu. Hexerei, Magie. Der Böse Blick. Das Verhexen von Mensch und Tier. Das Buhlen mit dem Teufel.
Sie dachten dabei nicht an ihre eigene Unzulänglichkeit. Sie schoben alles auf andere zurück, und viele von ihnen waren froh, wenn gewisse Dinge gewaltsam aus der Welt geschafft wurden.
Im flackernden Schein der Fackeln zeichneten sich die Gestalten der beiden Männer deutlich vor dem Höhleneingang ab. Die Körper wirkten verzerrt, sie kamen Marianne riesig vor, als wären sie die Umrisse irgendwelcher Berggeister.
Einer bückte sich und betrat die Höhle. »Wir kommen, du verdammte Hexe. Wir kommen jetzt zu dir und holen dich!« Er lachte und ging geduckt weiter.
Die Frau gab keine
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