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Ruhe Sanft

Ruhe Sanft

Titel: Ruhe Sanft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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Mann in einer Seniorensiedlung in Hartford lebte, Peepsie Kennedy, die immer noch die eigene PR-Firma in D.C. leitete, und Peepsie Osborn, Hazel also, die jede über die anderen auf dem laufenden hielt.
    »Warum?« fragte Wetzon, die Souffle im Mund hatte und die Schokolade genießerisch zergehen ließ. Sie hatte dunkle Schokolade viel lieber, denn der Anblick war der halbe Geschmack, und es war irgendwie eigenartig, wenn etwas wie satte, dunkle, bittersüße Schokolade schmeckte, aber gebrochen weiß und gesprenkelt wie die Schale eines Vogeleis aussah.
    Die Espressomaschine gab ein lautes asthmatisches Kreischen von sich. Ein Mädchen und ein junger Mann in der Uniform einer Militärakademie setzten sich an den Nebentisch und fingen an, mit einem gehässigen Unterton zu streiten.
    »Sie ist so geistesabwesend geworden.« Hazels klare blaue Augen verrieten tiefe Sorge. »Sie erinnert sich nicht, wo sie etwas hingelegt hat. Sie wußte nicht einmal, wer ich bin, als ich gestern dort war. Wenigstens nicht genau. Sie war sehr verschreckt. Ich glaube, sie kannte mich, aber sie erkannte mich nicht. Meine Güte.« Sie tätschelte nervös den burgunderroten Hut. »Ich rede wohl ziemlichen Unsinn.«
    »Hat sie Alzheimer?« fragte Wetzon leise.
    »Ja, ich glaube, aber es scheint so schnell schlimmer zu werden.« Hazels Finger trommelten nervös auf den Tisch. »Sie hatten keine Kinder, wissen Sie. Sie hat eine Nichte, ein nettes Ding... Ich habe sie seit Jahren nicht gesehen... lebt irgendwo in Europa... mit einem Diplomaten verheiratet, glaube ich. Es ist Jahre her...« Hazel war durcheinander und aufgewühlt. Das paßte überhaupt nicht zu ihr.
    »Wohnt Peepsie Cunningham allein?«
    »Ja — nein — eigentlich nicht. Sie hat eine Frau, ganz anständig, glaube ich, die täglich kommt, sie badet, anzieht und für sie kocht. Diese Sachen eben.« Sie legte die Gabel hin und wischte mit der Leinenserviette die Lippen ab. »Wir gingen früher oft zum Lunch aus oder ins Kino... mit unseren Seniorenpässen. Das haben wir wirklich gern gemacht. Ich weiß noch, wie wir in Tootsie waren. Haben wir uns amüsiert.« Sie brach ab. Die Espressomaschine holte tief Luft und zischte heiser.
    »Wir mußten es aufgeben. Sie wußte dann nicht mehr, wo wir waren. Einmal wollte sie den Kellner nicht den leeren Teller abtragen lassen. Sie machte eine gräßliche Szene.« Hazel hatte Tränen in den Augen, und sie kramte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch.
    »Ach, Hazel, wie mir das leid tut«, sagte Wetzon. Wenn man junge Freunde hat, sagte Hazel immer, braucht man sie nicht verfallen und sterben zu sehen. Sie fröstelte.
    »Leslie, tun Sie mir bitte einen Gefallen.« Hazel machte eine Pause, und für einen flüchtigen Augenblick zeigte sich ein schuldbewußter Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie begann, die Serviette zwischen den Fingern zu zerknittern. »Ach nein, lieber nicht. Ich will auf keinen Fall jemand hineinziehen...«
    »Doch, bitte, Hazel, fragen Sie nur. Wie kann ich helfen? Ich möchte helfen. Ich bin Ihre Freundin.«
    Hazel sah sie scharf an und seufzte leise. »Na gut. Könnten Sie jetzt mit mir rüber zu Peepsie gehen? Es fällt mir ein bißchen schwer...« Sie zeigte auf den Stock, der hinter ihrem Stuhl an der Wand lehnte.
    Sie teilten sich die Rechnung und traten, warm eingepackt, auf den Bürgersteig hinaus in den arktischen Wind.
    Wetzon schaute nach oben auf die dunkel umrandeten, bedrohlichen Wolken, die über den Himmel jagten, und schnupperte. »Ich wette, daß wir Schnee bekommen.«
    »Beschwören Sie es bitte nicht, Leslie.«
    Hazel wirkte so ängstlich, so traurig. Was war aus Wetzons schwungvoller junger Freundin geworden? Jetzt mußte sie langsamer gehen, um sich an Hazels unbeholfenen Gang, den schlurfenden Schritt einer alten Frau, anzupassen.
    »Was ist Peepsie Cunninghams Adresse?« fragte Wetzon munter und hakte sich bei Hazel unter.

Peepsie Cunningham wohnte in einem eleganten alten Gebäude in der Fifth Avenue gegenüber vom Metropolitan Museum.
    Ein untersetzter Portier mittleren Alters in grauer Wolluniform, der geschützt vor der Zugluft innen gestanden hatte, trat vor, als er sie kommen sah, und stieß die Tür aus verziertem Glas und Schmiedeeisen auf.
    »Guten Tag, Ms. Osborn«, sagte er zuvorkommend, indem er die Hand zur Mütze hob. »Ich melde Mrs. Cunningham, daß Sie auf dem Weg nach oben sind.«
    »Danke, Edward.« Hazel stützte sich, erschöpft von dem kurzen Spaziergang, schwer auf Wetzons Arm.

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