Ruhe unsanft
öffnen, bevor sie das Haus endgültig räumten. Sie hatte nicht genug Platz für ihre Sachen.
Mit jedem Tag fühlte sie sich in »Hillside« heimischer. Während sie frühstückte, hörte sie durch das offene Fenster ein ausgiebiges Räuspern und dann kurzes, tr o ckenes Husten. Foster, der launenhafte Gelegenheitsgär t ner, auf dessen Versprechen nicht immer Verlass war, hatte sich also eingefunden.
Gwenda brachte rasch ihre Morgentoilette hinter sich und ging in den Garten hinunter. Foster arbeitete im Steingarten bei der Terrassentür. Gwendas erste Anor d nung war gewesen, an dieser Stelle einen Weg zwischen Rasen und Terrasse anzulegen. Foster hatte zunächst eingewendet, dass dann einige Forsythien, Weigelien und Fliedersträucher weichen müssten, aber Gwenda hatte auf ihrem Wunsch beharrt, und nun fand er ihn beinahe so richtig wie sie.
Er begrüßte sie mit einem Kichern.
»Sieht aus, als wollten Sie’s wieder haben wie in der g u ten alten Zeit, Miss.« Auch dass er Gwenda hartnäckig »Miss« nannte, gehörte zu seinen Eigenheiten.
»Wie in der guten alten Zeit? Wieso?«
Foster klopfte mit seinem Spaten auf die Erde. »Da w a ren früher schon mal Stufen, sehen Sie? Ganz wie Sie’s jetzt haben wollen. Irgendwer hat die Platten abgetragen und alles zugepflanzt.«
»Wie dumm«, sagte Gwenda. »Dadurch ist die ganze Aussicht aus dem Salon verdorben worden.«
Mr Foster, der mit einem solchen Gedanken nicht viel anfangen konnte, stimmte vorsichtig zu.
»Ich habe ja nicht bestritten, dass es eine Verbesserung sein könnte, Miss. Sicher, so hat man wieder einen frei e ren Blick. Die Büsche da haben den Salon dunkel g e macht. Bloß um die Forsythie ist es schade, die wuchs wie verrückt – hab nie so eine gesunde Forsythie gesehen. Mit dem Flieder ist nicht viel los, aber die Weigelien haben allerhand gekostet, Miss, und zum Umpflanzen sind sie jetzt zu alt, vergessen Sie das nicht.«
»Ich weiß. Aber so wird es viel, viel hübscher.«
»Na ja.« Foster kratzte sich am Kopf. »Kann sein.«
»Es ist so«, bekräftigte Gwenda. Dann fragte sie plöt z lich: »Wer hat eigentlich früher hier gewohnt? Die Hengraves besaßen das Haus doch nicht sehr lange?«
»Nein, höchstens sechs, sieben Jahre. Passten beide nicht her. Und vorher? Die Damen Elworth. Sehr ki r chenfromm, hatten’s immer mit der Heidenmission. Einmal kam sogar ein schwarzer Prediger zu Besuch. Drei Schwestern waren es und ein Bruder – aber der ha t te bei den Frauen nicht viel zu melden. Und vorher – vorher – da wohnte Mrs Findeyson in ›Hillside‹. Ach ja, die gehörte nach Dillmouth, eine richtige feine Her r schaft. Wohnte schon im Haus, als ich noch nicht auf der Welt war.«
»Dann ist die alte Dame wohl auch hier gestorben?«
»Gestorben ist sie in Ägypten oder irgendwo in der Fremde. Aber ihr Sarg wurde heimgebracht und auf uns e rem Friedhof begraben. Die Magnolie und den Goldr e gen hat sie noch pflanzen lassen. War immer ganz ve r rückt auf Ziersträucher.« Foster widmete ihr ein paar Schweigesekunden, ehe er fortfuhr: »Damals gab’s die neuen Häuser am Hang noch nicht, und keine Andenke n läden und keine Strandpromenade.« Seine Miene verriet die Missbilligung des Alteingesessenen. »Veränderungen«, knurrte er. »Nichts als Veränderungen.«
»Ich glaube, das ist nicht zu vermeiden«, sagte Gwenda. »Und schließlich bedeuten Veränderungen manchmal auch Verbesserungen, nicht wahr?«
»Ja, alles redet vom Fortschritt. Ich merke nichts davon. Fortschritt, ha!« Er gestikulierte in Richtung eines von einer hohen Hecke umgebenen Nachbargrundstücks zur Linken. »Das war mal unser städtisches Krankenhaus, jawohl. Nett und gemütlich, für jeden zu erreichen. Und dann gehen sie hin und bauen einen Riesenkasten vor der Stadt. Zwanzig Minuten Fußmarsch, wenn man am B e suchstag mal hin muss, oder teures Fahrgeld für den Bus.« Wieder deutete er grimmig auf die Hecke. »Ist jetzt ne Mädchenschule. Vor zehn Jahren sind sie eingezogen. Nichts wie Veränderungen. Heutzutage kaufen die Leute ein Haus, wohnen zehn oder zwölf Jahre drin, und plöt z lich sind sie wieder auf und davon. Ruhelos… Wozu soll das gut sein? Hat doch gar keinen Zweck, etwas zu pfla n zen, wenn’s nicht auf lange Sicht ist.«
Gwenda sah liebevoll auf die Magnolie. »Wie Mrs Fi n deyson es tat«, sagte sie.
»Ja, die war noch vom alten Schlag. Kam als junge Frau her, zog ihre Kinder auf und verheiratete die Töchter, begrub ihren
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