Ruhig Blut!
gelegentlichen Pling in einen kleinen Teich.
»Als Mädchen bin ich mal mit einem jungen Zauberer hier oben gewesen«, sagte Nanny. »Seine Lieblingsbeschäftigung bestand darin, mit einem kleinen Hammer auf Felsen einzuschlagen. Allerdings gab es da eine Sache, mit der er sich noch lieber beschäftigte«, fügte Nanny mit einem Lächeln hinzu, das der Vergangenheit galt. Dann seufzte sie. »Er meinte, die Hexe sei nur eine Ansammlung von irgendwelchem Zeug aus den Felsen, von tropfendem Wasser zurückgelassen. Aber meine Oma erzählte mir, hier hätte eine Hexe Platz genommen, um über irgendeinen wichtigen Zauberspruch nachzudenken, und sie hat sich in Stein verwandelt.«
»Es ist ein weiter Weg für einen Ausflug«, sagte Agnes.
»Oh, zu Hause hatten wir viele Kinder, und es regnete oft, und für genaue geologische Untersuchungen mußte man ungestört sein«, sagte Nanny. »Vielleicht liegt sein Hammer hier noch irgendwo. Nach einer Weile vergaß er ihn völlig. Paßt auf, das Felsgestein ist glitschig. Was macht die kleine Esme, Magrat?«
»Oh, sie gluckst munter vor sich hin. Ich muß sie bald füttern.« »Wir sollten auf sie achtgeben«, sagte Nanny.
»Ja, natürlich.«
Nanny faltete kurz die Hände und zog sie dann langsam wieder ausein
ander. Das Glühen zwischen ihnen konnte sich nicht mit dem hellen Glanz von Zauberern messen, kam eher einem matten Friedhofsleuchten gleich. Es genügte jedoch, um zu verhindern, daß jemand in ein Loch fiel.
»An einem solchen Ort könnte man auf Zwerge stoßen«, sagte Magrat, als sie durch einen Tunnel schritten.
»Das glaube ich nicht. Zwerge mögen keine Orte, die sich dauernd verändern. Heutzutage kommen nur noch Tiere hierher – und Oma Wetterwachs, wenn sie mit ihren Gedanken allein sein will.«
»Und du, um geologische Untersuchungen durchzuführen«, sagte Magrat.
»Ha! Damals sah’s hier anders aus. Blumen wuchsen im Moor, und die Brücke bestand aus Trittsteinen. Weil ich verliebt war.«
»Du meinst, das hiesige Gelände paßt sich Empfindungen an?« fragte Agnes.
»Ja. Es ist wirklich erstaunlich, wie hoch und wacklig die Brücke sein kann, wenn man schlechte Laune hat. Ich weiß das aus eigener Erfahrung.«
»Wie hoch sie wohl für Oma gewesen sein mag?«
»Wahrscheinlich erstreckte sie sich bis über die Wolken, Mädchen.«
Nanny blieb an einer Gabelung des Weges stehen und deutete in eine Richtung.
»Ich schätze, sie ist dorthin gegangen. Wartet mal…«
Sie streckte den einen Arm aus. Es knirschte, ein Teil der Decke löste sich und krachte direkt vor ihr auf den Boden. Wasser spritzte, und Steinsplitter stoben davon.
»Jetzt brauchen wir nur über diesen Schutt hier zu klettern«, fügte
Nanny hinzu, als wäre überhaupt nichts geschehen.
»Etwas versucht, uns fernzuhalten«, sagte Agnes.
»Aber es wird damit keinen Erfolg haben«, erwiderte Nanny. »Außerdem glaube ich, daß uns kein Leid geschieht.«
»Das war ein ziemlich großer Felsbrocken!« gab Agnes zu bedenken. »Ja, aber er hat uns nicht getroffen, oder?«
Weiter vorn stießen sie auf einen unterirdischen Fluß. Das Wasser
schäumte weiß und strömte so schnell dahin, daß sie kaum Einzelheiten erkennen konnten. Wellen türmten sich an einem natürlichen Damm aus Treibholz auf und gischteten fast darüber hinweg. Ganz oben auf dem Damm lag ein langer, einladend aussehender Baumstamm.
»Das ist viel zu gefährlich für die kleine Esme!« platzte es aus Agnes heraus. »Daran dürfte wohl kaum ein Zweifel bestehen. Du bist ihre Mutter, Magrat!«
»Ja, ich weiß, ich war bei der Geburt zugegen«, erwiderte Magrat mit einer Ruhe, die einen zur Raserei bringen konnte. »Aber dies fühlt sich nicht gefährlich an. Oma ist irgendwo in der Nähe.«
»Ja«, sagte Nanny. »Ich glaube, wir sind ihr jetzt ganz nahe.« »Aber sie kann doch keine Flüsse und Felsen kontrollieren…«, begann Agnes.
»Hier? Ich weiß nicht. Dies ist ein sehr… reaktiver Ort.«
Sie schoben sich langsam über den Baumstamm, und das Baby wurde weitergereicht.
Agnes lehnte sich an die Steinwand. »Wie weit ist es noch ?«
»Nun, eigentlich sind’s nur noch ein paar Zentimeter«, meinte Nanny. »Diese Antwort ist dir bestimmt ein Trost.«
»Bilde ich es mir nur ein, oder wird es tatsächlich wärmer?« fragte Magrat.
»O nein .« Agnes deutete nach vorn. »Ich glaube es nicht.«
Am Ende eines Hangs öffnete sich ein Spalt in der Felswand. Rotes Licht glühte daraus hervor. Eine Flamme züngelte bis zur
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