Ryan Hunter - This Girl Is Mine
noch nie zuvor so einen klaren Strich unter eine ihrer kurzweiligen Beziehungen oder wohl eher Bekanntschaften gezogen. Auch nicht bei denen, die nach Tony kamen. Und da gab es einige aus unserem Team, die auf ihrer Liste standen. Gott sei Dank war keiner der Jungs in Cloey verknallt, sondern genoss einfach nur ein bedeutungsloses Abenteuer, sonst würde wohl mittlerweile keiner mehr mit dem anderen reden.
Manchmal fragte ich mich, ob Cloey nur aus dem einen Grund mit so vielen Jungs etwas anfing, um Tony damit zu verletzen. Und manchmal fragte ich mich auch, warum Tony sich einen Dreck darum scherte. Vielleicht war er ja nie wirklich in sie verliebt gewesen und brauchte diesen One-Night-Stand nur, um sich dessen bewusst zu werden.
Ach, was zerbrach ich mir darüber überhaupt den Kopf? Er lebte sein Leben, und ich lebte meins. Genauso, wie Liza ihr Leben nun ohne uns beide lebte.
Was für eine beschissene Entwicklung der Dinge …
Als ich langsam hinter ihm zur Bank kam, überlegte ich, wie viel von unserer Freundschaft ich eigentlich wirklich vermisste. Ich hatte seit Ewigkeiten nicht mehr Call of Duty gespielt und da war immer noch ein Jahresvorrat an Käsecrackern in einer Lade in meinem Zimmer.
Tony steckte gerade sein Telefon in die Hosentasche und seufzte. Bestimmt dachte er, es hätte ihn niemand gehört. Ich stopfte meine Stollen in meinen Rucksack und zog den Reißverschluss zu, als ich sagte: „Ich schätze, wir haben sie wohl beide verloren.“
Tony zuckte herum, ohne Frage total überrascht, dass ich mit ihm redete – in einem normalen Tonfall. Doch sein erstaunter Gesichtsausdruck verschwand blitzschnell und er setzte eine feindselige Miene auf. „Und hat es auch einen tieferen Grund, warum du mir das sagst?“
Ich zuckte mit einer Schulter. „Ich denke nur, es macht wenig Sinn, auf dich sauer zu sein, wenn sie am Ende sowieso keinen von uns beiden wählen wird.“
Tony blickte mich für einen Moment entgeistert an. Obwohl er nichts darauf sagte, war ich sicher, dass meine Worte bei ihm ankamen und er zu grübeln begann. Er würde dafür sehr viel Zeit haben, denn ich drehte mich um und machte mich auf den Weg zum Parkplatz.
Ich konnte nicht sagen, dass ich mich hinterher glücklicher fühlte, doch zumindest tat es gut, den Zorn endlich beiseiteschieben zu können. Tony nach so vielen Jahren Freundschaft plötzlich zu hassen war auf die Dauer ganz schön anstrengend geworden. Was er nun aus der Sache machte, war allein sein Problem.
Irgendwann an diesem Abend bekam ich eine Nachricht von ihm. Ich drehte die Musik leiser und warf mich auf mein Bett, um zu lesen, was Tony nach einem halben Tag Grübeln zustande gebracht hatte. Hoffentlich würde er sich selbst zur mir auf einen Runde CoD einladen, denn ehrlich gesagt hatte Justin keine Ahnung davon, wie man coole Videogames spielte. Mir fehlte Mitchell in meinem Haus.
Doch als ich las, was er mir tatsächlich geschickt hatte, war ich für ganze zehn Minuten sprachlos.
WEISST DU NOCH, WO WIR FRÜHER EIDECHSEN GEFANGEN HABEN UND SIE DANN MIT DEN MEDIKAMENTEN DEINES VATERS BETÄUBTEN? ICH BIN GERADE HIER MIT EINEM MÄDCHEN, DAS DICH UNBEDINGT SEHEN MÖCHTE, DOCH DAS WÜRDE SIE NIE ZUGEBEN. ICH DACHTE NUR, DU SOLLTEST DAS VIELLEICHT WISSEN.
Der Ort, den er meinte, war ein kleiner Tümpel im Wald. Und das Mädchen, das er meinte war … meins. Als die Message endlich durchdrang, brauchte ich einen Moment, um mein Herz wieder in Gang zu bringen. Doch dann raste es mit Höchstgeschwindigkeit, und alles, was ich hörte, war das Trommeln in meinen Ohren.
Liza wollte mich sehen. Verdammt, warum saß ich immer noch auf meinem Bett und las diese SMS zum fünfzigsten Mal?
Ich zog mein T-Shirt aus, warf es in die Ecke und schlüpfte in ein schwarzes Hemd, das ich bis auf den obersten und untersten Knopf zuknöpfte. Aus Gewohnheit rollte ich die Ärmel bis zu den Ellenbogen hoch und lief dann ins Bad, wo ich mit ein wenig Haar-Gel meine Frisur in ein, wie ich hoffte, unwiderstehliches Chaos verwandelte.
Ein Lächeln zupfte leicht an meinen Mundwinkeln, als ich wenig später in meinem Audi die Straße runter raste, und es wurde breiter, je näher ich zu dem Wald kam. Am Ende des befahrbaren Weges stellte ich den Motor ab, stieg aus und ging die letzte halbe Meile zu Fuß. Bald hörte ich Stimmen und ich sah auch schon zwei Fahrräder, die gegen einen Baum lehnten. In nur wenigen Augenblicken würde ich Liza endlich wiedersehen.
Heilige Scheiße, ich
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