Rywig 02 - Hab Mut, Katrin
sagte Senta. „Ich grübele darüber nach, was ich werden soll.“
„Sieh mal einer an“, sagte der Vater. „Das ist großartig. Mach du dir nur einen festen Plan, mein Kind, und erzähle uns dann Näheres, wenn du ihn ausgearbeitet hast.“
Stephan sagte in der Runde gute Nacht, begann beim Vater und ging dann vom einen zum anderen. Den Abschluß machte er bei der Mutter, die ihm einen liebevollen Kuß gab. Das stellte offenbar eine
Gedankenverbindung in ihm her. Denn als die Mutter ihn wieder losließ, teilte er laut und deutlich mit:
„Bernt hat Kati ‘nen Kuß gegeben.“ Sprach’s und schritt gleichmütig zur Tür.
Katrin wäre am liebsten in den Erdboden versunken. Die Röte schoß in einer heißen Woge in ihre Wangen, sie brannten immer heißer, und Katrin getraute sich nicht, zu Bernt hinüberzusehen.
Herr Rywig aber lachte leise auf.
„Soso, du. Da hat Bernt aber einen guten Geschmack. Mach jetzt, daß du ins Bett kommst, du kleiner Unglücksvogel.“
Senta grinste über das ganze Gesicht, als sie mit ihrem indiskreten Bruder abzog.
„Regt euch nicht auf, Kinder“, sagte Beate. „Und du brauchst auch durchaus nicht zu feixen, Hans Jörgen. Du wirst auch noch mal Mädchen küssen.“
„Im Gegensatz zu seinem großen Bruder“, sagte Bernt gelassen. „Denn der küßt nämlich nicht Mädchen in der Mehrzahl.“
Dr. Rywig lächelte noch immer, dann erhob er sich. „Nun, ich muß wohl mal meine Post durchsehen. Ruft mich, wenn es soweit ist zum Abendbrot.“ Dann zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück. Er zündete sich die Stummelpfeife an, blieb sitzen und blickte versonnen vor sich hin. Der Stapel mit Post lag unangerührt vor ihm. Da ging die Tür. Es war Bernt. „Nun, mein Junge, hast du etwas auf dem Herzen?“ Bernt lächelte ein wenig. „O nein, eigentlich nicht. Ich dachte nur, ich müßte dir vielleicht ein wenig bei dem helfen, was du auf dem Herzen hast. Sitzt du nicht da und grübelst nach, was du als verantwortungsbewußter Vater tun mußt? Ob du einen Kuß bagatellisieren oder ob du mir eine kluge Ermahnung erteilen sollst?“
Da mußte der Vater lachen. „Du bist wirklich ein Teufelsjunge. Ja, wenn du es unbedingt wissen willst, überlegte ich mir tatsächlich so etwas.“
„Weißt du, Papa, im Grunde ist da gar nichts zu überlegen. Katrin und ich sind sehr befreundet, und nun haben wir uns ineinander verliebt. Das ist doch eine ganz einfache Sache.“
„Gewiß, ganz einfach und sehr natürlich. Wann soll man sich denn verlieben, wenn man es nicht als junger Mensch tut?“
„Nicht wahr? Und jetzt sitzt du da und denkst: Wenn ich es bagatellisiere, dann billige ich es, daß Bernt herumgeht und Mädchen küßt. Nehme ich es ernst, leiste ich einer Verlobung
Vorschub, für die beide viel zu jung sind. Stimmt es, Papa?“
„Das ist ja nicht zu glauben, du abgefeimter Gedankenleser.“
„Hör mir zu, Papa. Ich gehöre nicht zu der Sorte Jungen, die herumlaufen und mit beliebigen Mädchen techteln. Ich habe Katrin besonders gern, um es schlicht und einfach auszudrücken. Und Katrin hat mich gern. Sie hat vorher nie in ihrem Leben von einem Jungen einen Kuß bekommen.“ In Bernts Augen trat ein warmer Ausdruck. „Wir fühlen uns keineswegs als Verlobte. Aber ich möchte durchaus nicht behaupten, daß wir es nicht eines Tages tun werden. Bis auf weiteres sind wir gut befreundet, haben uns gern und finden das Leben nett und lebenswert - und - na ja, laß mich das gleich ein für allemal sagen: ich respektiere Katrin, Papa. - Du - du kannst dich auf mich verlassen. Ganz und gar.“
Er streckte dem Vater unwillkürlich die Hand hin.
„Mein Junge“, sagte der Vater. Und mit einem Herzen voller Vaterstolz drückte er seines Sohnes Hand.
„Nimm’s nicht so tragisch, Katrin“, sagte Senta, als die beiden abends allein in ihrem Zimmer waren. „Ein Kuß ist doch keine Sache. Rolf hat mich neulich auch geküßt, das kann ich dir nur flüstern.“
Senta seufzte plötzlich abgrundtief auf.
„Weshalb seufzt du denn so furchtbar, Senta? Du bist den ganzen Tag so versonnen herumgegangen - ja, und gestern auch schon - “ „Ist denn das so sonderbar? Ich laufe herum und denke und denke, daß mein Kopf schier platzen will - wie in aller Welt ich Papa dazu kriegen kann, daß er mich nach Deutschland gehen läßt statt nach England.“
„Hast du gar keine Idee?“
„Doch. Gestern ist mir eine gekommen. Und komischerweise paßt sie glänzend in meine beruflichen
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