Rywig 10 - Machst Du mit Senta
betrachte ich als ein Plus“, antwortete mein Mann und machte überhaupt keinen Versuch, das andere Bett bei der Dunkelheit zu finden.
Das Aufstehen war hart! Als der Wecker uns um drei Uhr nachts aus dem Schlaf riß, hätte ich ihn am liebsten an die Wand geschmissen. Aber der Gedanke, daß der Waschraum vielleicht noch frei war, brachte mich zum Aufstehen, und das war gut. Denn zehn Minuten später strömten meine Mitreisenden mit Waschlappen, Seife, Handtüchern und Zahnbürsten in den Waschraum.
Um vier Uhr fuhren wir zu einem ,Rund-um-die-Uhr-Lokal’, und mit Hilfe unserer mitgebrachten Kaffeegläser bekamen wir einen anständigen Morgenkaffee und außerdem ,hot cakes’ in Hülle und Fülle.
Als die ersten Sonnenstrahlen hinter den Bergen rausguckten, waren wir schon im Park. Um uns die märchenhafte Bergwelt, und dann Wälder - herrliche, dunkelgrüne Wälder, von einer Ausdehnung, die man wohl kaum in Europa sieht!
Was lebte wohl alles in diesen geheimnisvollen Wäldern? Da trotteten große, zottige Bären, da spielten kleine mollige Bärenkinder, da huschten Wiesel und Erdhörnchen auf dem Waldboden, da turnten Eichhörnchen in den Bäumen. Mächtige Elche wanderten an den moorigen Stellen, und oben auf den Bergen lebten die weißen Schneeziegen, da pfiffen die Murmeltiere und weiter unten wanderten die schönen Karibus.
Würden wir wohl etwas von diesem wunderbaren Tierleben zu sehen bekommen? Es war hier nicht wie in Ostafrika, wo die Tiere ganz dicht an die Autos kamen, nicht wie in Yellowstone, wo die Bären die Pranken bettelnd nach Süßigkeiten ausstreckten. Hier war es so geblieben wie es immer war, die Tiere lebten ihr eigenes, von Menschen unabhängiges Leben, und hatten das Betteln nicht gelernt. Wir durften die einzige Straße, die durch den Park führte, nicht verlassen. Also hieß es nur hoffen, daß ein paar Vierbeiner zufällig ihren Morgenspaziergang Richtung Straße legten.
Vor uns tauchte ein atemberaubendes Bergmassiv auf. Ein mächtiger Gipfel mit einer schneeweißen Haube, die in der Sonne strahlte und glitzerte. Es war der Mount McKinley - der höchste Berg in Nordamerika, höher als sämtliche Alpengipfel.
„Halt!“ rief Heiko, und der Fahrer brachte den Bus zum Stehen.
„Dort, rechts - rechts von dem großen Stein - vor dem grünen Hügel - sehen Sie?“
Wir sahen! Zwei große, mächtige Bären - das eine Tier war eine Bärin, denn dicht hinter ihr trotteten zwei kleine Bärchen. So was Wonniges!
Die, die ganz starke Teleobjektive hatten, filmten und fotografierten. Wir anderen ließen die Ferngläser von Hand zu Hand gehen. Durchs Glas konnte man die Tiere ganz deutlich sehen.
„Grizzlybären“, erklärte Heiko. „Ich glaube, wir sollten froh sein, daß sie nicht näher sind, die Grizzlys können nämlich gefährlich sein. Ich behaupte nicht, daß sie es immer sind, nur daß sie es sein können!“
„Und die Braunbären? Die gibt es doch auch hier?“ wollte Fräulein Rothbaum wissen.
„Und ob! Ja, die sind friedlich, solange sie sich nicht bedroht fühlen. Ich weiß, daß zum Beispiel Beerenpflücker hier in Alaska oder in Kanada manchmal Bären im Wald treffen. Sie zeigen kein besonderes Interesse für die Zweibeiner. Die Menschen halten eine gewisse Entfernung, dann läuft alles friedlich ab.“
„Solange sie sich nicht als Bärenpflücker betätigen!“ sagte ich. Ich hatte in der Schule einmal diesen Fehler in einer deutschen Arbeit gemacht, ich hatte von einem Jungen geschrieben, der im Wald Bären pflückte!
Das erzählte ich natürlich und es gab ein großes Schmunzeln. Sonja konnte mit einem anderen Schnitzer beitragen. Als sie jung verheiratet war und noch nicht so sicher in der deutschen Sprache, hatte sie im Lebensmittelgeschäft Reisflocken kaufen wollen. Da Reis in Norwegen Ris heißt, war das Resultat, daß sie nach „Riesenflecken“ fragte.
„Dann haben Sie beide aber Erhebliches dazugelernt!“ sagte Fräulein Franzen. „Man kann doch kaum hören, daß Sie keine Deutschen sind!“
„Kunststück“, lächelte Sonja. „Ich bin mit einem Deutschen verheiratet, und meine Schwester hat ihre Ausbildung in Deutschland gehabt!“
Inzwischen hatten die Bären sich etwas weiter bewegt, und wir setzten unsere Fahrt fort. Allzulange dauerte es nicht, dann tauchte eine kleine Herde Karibus auf, diese bildschönen Rentiere mit ihrem herrlichen Geweih. Sie waren viel näher als die Bären, wir konnten sie wunderbar fotografieren!
„Horch!“
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