Rywig 10 - Machst Du mit Senta
und schlief vierzehn Stunden ununterbrochen!
Briefe und Andenken
Zum letztenmal saßen wir im Bus auf einer weiten Fahrt. Es ging nach Anchorage, wo wir die letzten zwei Tage unserer Reise verbringen würden. Anchorage, die Stadt, die durch furchtbare Erdbeben im Jahre 1964 zum Teil zerstört wurde. Unterwegs erzählte uns Jochen Weiden darüber. Das Erdbeben hatte ganz merkwürdige Veränderungen mit sich geführt: Der Erdboden war in der Höhe versetzt worden, es bildeten sich sozusagen große Stufen in dem felsigen Grund der Stadt. Auf einer dieser Stufen war das große, ganz moderne Hotel, wo wir wohnen würden, vor wenigen Jahren gebaut worden.
„Ich habe immer geglaubt, daß Anchorage die Hauptstadt Alaskas ist“, gestand ich. „Erst auf dieser Reise habe ich erfahren, daß die komische kleine Stadt Junau es ist!“
„Dafür ist aber Anchorage die größte Stadt“, belehrte mich Jochen Weiden. „44.000 Einwohner, nach den hiesigen Verhältnissen beinahe eine Großstadt. Es sind Museen und eine Universität da, ein sehr großer Hafen, und ein ganz imposanter Wasserflughafen, der größte der Welt!“
„Hör, hör, Heiko, Wasserflugzeuge!“ flüsterte ich meinem Schwager ins Ohr.
„Außerdem ein sehr großer internationaler Flughafen“, fuhr Jochen Weiden fort. „Und als besondere Merkwürdigkeit ein Gletschersee, nicht viel höher gelegen als der Meeresspiegel. Verstehe es, wer kann. Wenn man es verstehen könnte, wäre es vielleicht keine Merkwürdigkeit! Ja, und dann gibt es Andenkengeschäfte an jeder Ecke, und wer einen Räucherlachs mit nach Hause nehmen will, kann in Anchorage jede Menge kaufen!“
Na, unsere zwei Tage dort würden nach dieser Beschreibung ausgefüllt sein!
Das Hotel auf der „Felsstufe“ war das weitläufigste, das ich je gesehen hatte. Das Haus hatte nur zwei Stockwerke, die Gästezimmer waren in einer Etage, und wir fühlten uns wie Langstreckenläufer, wenn wir z.B. im Speisesaal saßen und entdeckten, daß wir das Taschentuch oder das Portemonnaie im Zimmer hatten liegenlassen. Ich habe die Schritte gezählt: Es waren deren 278 vom Speisesaal zu unserer Zimmertür!
Aber sonst haben wir alles genossen! Zehn Minuten nach der Ankunft strömte schon das Wasser in sämtliche Badewannen!
Morgen hatten wir ein Programm, diesen Nachmittag waren wir frei. Das bedeutete, daß alles loswanderte und von den unzähligen Andenkenläden geschluckt wurde.
Ich beobachtete zu meiner Freude, daß niemand allein ging. Jeder sprach mit jedem, sie wanderten in Gruppen, fragten und zeigten einander ihre Einkäufe.
Isabel und Suse tuschelten und lachten und hatten etwas ganz Geheimnisvolles vor. Jochen Weiden verschwand zusammen mit Heiko. Rolf hatte anscheinend auch etwas vor, denn er löste sich plötzlich in Luft auf. Dann gingen Sonja und ich los, um Mitbringsel für unsere Eltern und Geschwister zu kaufen.
Es waren reizende Sachen aus Alaska-Jade und entzückende Schmuckstücke mit den aparten, schwarzgrauen Hämatitsteinen, die ich offen gesagt bis zu dem Augenblick nicht kannte.
Da waren Broschen, Ohrringe, Armbänder, Anhänger - so eine ganze Garnitur wäre sehr apart, wirklich ,mal was anderes’.
„Weißt du“, sagte Sonja nachdenklich, „wenn wir nun Beatemutti je einen Ohrring schenkten? Zum Geburtstag? Und dann das Armband und die Brosche kauften, dann könnte Papa das Armband übernehmen und es ihr zu Weihnachten schenken, und von uns bekäme sie dann - also erst zu Weihnachten - die Brosche?“
Wir mußten unser Geld zählen, denn eigentlich waren Einkäufe für Papa nicht mit einkalkuliert. Als wir in dieser interessanten Beschäftigung vertieft waren, hörten wir eine Stimme hinter uns:
„Nun, Sie haben wohl vor, groß einzukaufen?“ Ich drehte mich um. Es war Herr Tesman.
„Ja, wissen Sie, das haben wir! Für unsere Mutter!“ Und Sonja erklärte, daß wir auf lange Sicht kaufen wollten.
„Das wäre vielleicht auch etwas für Sie, Herr Tesman!“ sagte ich und versuchte, ganz unbefangen zu reden. „Ein Stück zum Geburtstag Ihrer Gattin, eins zu Weihnachten.“
„Und das dritte Stück zum Hochzeitstag!“ rief Sonja. „Sehen Sie sich bloß diese Fassung an, die feine Silberfiligranarbeit! Teuer ist es auch nicht, wir müssen eben diese Gelegenheit nutzen.“
Herr Tesman zögerte ein bißchen, dann sagte er: „Ein Mann versteht vielleicht zuwenig von solchen Sachen - glauben Sie, daß meine Frau diese Steine gern tragen
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