Saat des Himmels
zu Ausweichmanövern gezwungen war, bis er sich im
Winkel zwischen der Gitterwand und der Decke festzurrte
und so seinem Schützling aus dem Wege war.
Es dauerte verhältnismäßig lange, bis die Gefährtinnen
draußen vor dem Gitter auftauchten und AmUlzo Nahrung
sowie einige Gegenstände zusteckten
– darunter einen
kleinen Mnemographen, für den Fall, mit Yoshua in
direkten Kontakt treten zu müssen.
„Wir haben uns erst mehrere Schlüssel – ausgeborgt“,
erklärte AusGarmi. „Er
muss für die Oberen ein ganz
gefährlicher Mensch sein, so bewacht, wie er wird.“
„Wäre es nicht besser, wir machen einfach reinen Tisch?“,
fragte VonEtali. „Wir betäuben ein paar von diesen
Wächtern, nehmen ihnen die Schlüssel ab, holen ihn heraus
und bringen ihn in Sicherheit. Es wäre sogar ein
Imagegewinn; denn bestimmt nähmen sie an, er vollführe
abermals ein Wunder oder bekommt himmlische Hilfe.“
„Noch nicht“, AmUlzo dämpfte den Tatendrang.
„Vielleicht wäre es der Sache förderlich, wenn sie einen
derart prominenten
– Märtyrer vorweisen könnte.
Allerdings nicht wirklich. Yoshua wird nicht untergehen.
Entweder die Bewegung ist so stark, dass er ihr erhalten
bleibt – dann wird es mit dem Märtyrer nichts. Oder wir
greifen ein, falls er in Lebensgefahr gerät. Dann wäre ich
dafür, dass er für die, die an ihn glauben, einer wird.“
„Letzteres wäre eine riskante Angelegenheit“, gab
VonEtali zu bedenken.
„Nicht, wenn wir uns gut vorbereiten“, widersprach
AusGarmi.
„Und ich bleibe in seiner unmittelbaren Nähe“, bekräftigte
AmUlzo. „Haltet für alle Fälle den Holoprojektor bereit.
Vielleicht müssen wir ein wenig – zaubern.“
8.
Vor dem Palast des okzidentalen Statthalters Palitus
hatte sich eine große Menschenansammlung gebildet,
ein Mob, mobilisiert von den Sadduzäern, den erbitterten
Gegnern der neuen Lehre.
Noch in der Nacht war Yoshua in geschickter Intrige der
Priesterschaft dem Statthalter unter der Anklage der
Volksverhetzung und Ketzerei zur Urteilssprechung
überstellt worden. Da dieser jedoch zögerte, dem Künder
eine Schuld zuzuweisen, ließen Yoshuas Gegner ihre
Anhänger, im Bunde mit den notorischen Krakeelern der
Stadt, gegen ein Salär vor dem Palast aufmarschieren und
lautstark die Forderung: „Kreuzigt ihn!“ hinausschreien.
Zum Brauch des Passahfestes gehört die Begnadigung
eines Übeltäters. Palitus trat der Menge in der Hoffnung
entgegen, aus seinem Dilemma dadurch herauszukommen,
dass er Yoshua zu diesem Akt vorschlug.
Als er von der Terrasse herab dies verkündete, herrschte
zunächst einen Augenblick Ruhe. Dann begann ein Murren.
„Ans Kreuz mit Yoshua, dem selbst ernannten König“, rief
einer.
„Begnadige Barbas!“, schlug ein anderer lauthals
schreiend vor.
Der Chor stimmte ein: „Lass Barbas frei; ans Kreuz mit
dem falschen Propheten!“
Der Tumult nahm zu.
Palitus’ Widerstand bröckelte. Seine Worte: „Barbas ist
ein Räuber und Mörder; er ist schuldig. Dieser aber nicht“,
gingen im allgemeinen Radau unter. Ein erster Stein flog.
Die Wachen senkten die Lanzen.
„Einen Aufstand ist er mir nicht wert“, sagte der
Statthalter zu seinen Hofleuten.
Er hob Ruhe gebietend die Arme, wartete, bis der Lärm
sich gelegt hatte. „Gut“, rief er. „Wenn ihr Barbas wollt,
sollt ihr ihn haben. Ans Kreuz mit eurem falschen König!“
Die Menge jubelte frenetisch auf, etliche daraus
vollführten Freudentänze. „Ans Kreuz, ans Kreuz mit
ihm…“ – für viele der Krakeeler offenbar ein Höhepunkt
des Festes.
„Was sagst du nun?“, fragte AusGarmi, an AmUlzo
gewandt.
Dieser lächelte: „Was soll ich sagen? Variante zwei –
Märtyrer! Versuche sehr schnell herauszubekommen, was
Kreuzigung bedeutet, wie eine solche vor sich geht und was
mit dem Delinquenten dabei geschieht.“
„Glimpfliches ganz gewiss nicht“, brummelte AusGarmi.
Sie und VonEtali hatten das Geschehen vor dem Palast
des Statthalters vom Boot aus beobachtet, waren dann zu
AmUlzo geeilt, der sich noch immer im Verließ des
Künders aufhielt, und hatten ihm berichtet.
„Ich bleibe auf jeden Fall in seiner unmittelbaren Nähe
und bereite ihn behutsam auf das weitere Geschehen vor.
Bitte haltet mit mir engsten Kontakt. Es könnte sein, dass
wir gezwungen sind, schnell zu handeln.“
„Wir warten im Gleiter vor dem Gebäude“, sagte
VonEtali. „Sie werden nicht lange zögern, wenn diese
Kreuzigung noch ein Schauspiel zum Fest werden soll. Bis
bald –
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