Sämtliche Dramen
ersten Abschnitt des Weihnachtsliedes weiter nachsehn; denn seht, da kommen die Abkürzer meines Gesprächs.
Vier oder fünf Schauspieler kommen.
Seid willkommen, ihr Herren! willkommen alle! – Ich freue mich, dich wohl zu sehn. – Willkommen, meine guten Freunde! – Ach, alter Freund, wie ist dein Gesicht betroddelt, seit ich dich zuletzt sah! Du wirst doch hoffentlich nicht in den Bart murmeln? – Ei, meine schöne junge Dame! Bei unsrer Frauen, Fräulein, Ihr seid dem Himmel um die Höhe eines Absatzes näher gerückt, seit ich Euch zuletzt sah. Gebe Gott, daß Eure Stimme nicht wie ein abgenutztes Goldstück den hellen Klang verloren haben mag! – Willkommen alle, ihr Herrn! Wir wollen frisch daran, wie französische Falkeniere auf alles losfliegen, was uns vorkommt. Gleich etwas vorgestellt! Laßt uns eine Probe eurer Kunst sehen. Wohlan! eine pathetische Rede!
Erster Schauspieler
. Welche Rede, mein wertester Prinz?
Hamlet
. Ich hörte dich einmal eine Rede vortragen – – aber sie ist niemals aufgeführt, oder wenn es geschah, nicht mehr als einmal; denn ich erinnre mich, das Stück gefiel dem goßen Haufen nicht, es war Kaviar für das Volk. Aber es war, wie ich es nahm, und andre, deren Urteil in solchen Dingen den Rang über dem meinigen behauptete, ein vortreffliches Stück: in seinen Szenen wohlgeordnet und mit ebenso viel Bescheidenheit als Verstand abgefaßt. Ich erinnre mich, daß jemand sagte, es sei kein Salz und Pfeffer in den Zeilen, um den Sinn zu würzen, und kein Sinn in dem Ausdrucke, der an dem Verfasser Ziererei verraten könnte, sondern er nannte es eine schlichte Manier, so gesund als angenehm, und ungleich mehr schön als geschmückt. Eine Rede darin liebte ich vorzüglich: es war des Äneas Erzählung an Dido; besonders da herum, wo er von der Ermordung Priams spricht. Wenn Ihr sie im Gedächtnisse habt, so fangt bei dieser Zeile an: – Laßt sehn, laßt sehn –
»Der rauhe Pyrrhus, gleich Hyrkaniens Leu’n« –
nein, ich irre mich; aber es fängt mit »Pyrrhus« an.
»Der rauhe Pyrrhus, er, des düstre Waffen,
Schwarz wie sein Vorsatz, glichen jener Nacht,
Wo er sich barg im unglückschwangern Roß,
Hat jetzt die furchtbare Gestalt beschmiert
Mit grauserer Heraldik: rote Farbe
Ist er von Haupt zu Fuß; scheußlich geschmückt
Mit Blut der Väter, Mütter, Töchter, Söhne,
Gedörrt und klebend durch der Straßen Glut,
Die grausames, verfluchtes Licht verleihn
Zu ihres Herrn Mord. Heiß von Zorn und Feuer,
Bestrichen mit verdicktem Blut, mit Augen,
Karfunkeln gleichend, sucht der höllische Pyrrhus
Altvater Priamus« –
Fahrt nun so fort!
Polonius
.
Bei Gott, mein Prinz, wohl vorgetragen: mit gutem
Ton und gutem Anstande.
Erster Schauspieler
.
»Er find’t alsbald ihn,
Wie er den Feind verfehlt: sein altes Schwert
Gehorcht nicht seinem Arm; liegt, wo es fällt,
Unachtsam des Befehls. Ungleich gepaart
Stürzt Pyrrhus auf den Priam, holt weit aus:
Doch bloß vom Sausen seines grimmen Schwertes
Fällt der entnervte Vater. Ilium
Schien, leblos, dennoch diesen Streich zu fühlen;
Es bückt sein Flammengipfel sich hinab,
Bis auf den Grund, und nimmt mit furchtbar’m Krachen
Gefangen Pyrrhus’ Ohr: denn seht, sein Schwert,
Das schon sich senkt auf des ehrwürd’gen Priam
Milchweißes Haupt, schien in der Luft gehemmt.
So stand er, ein gemalter Wüt’rich, da,
Und, wie parteilos zwischen Kraft und Willen,
Tat nichts.
Doch wie wir oftmals sehn, vor einem Sturm,
Ein Schweigen in den Himmeln, still die Wolken,
Die Winde sprachlos, und der Erdball drunten
Dumpf wie der Tod – mit eins zerreißt die Luft
Der grause Donner: so, nach Pyrrhus’ Säumnis,
Treibt ihn erweckte Rach’ aufs neu’ zum Werk;
Und niemals trafen der Zyklopen Hammer
Die Rüstung Mars’, gestählt für ew’ge Dauer,
Fühlloser als des Pyrrhus blut’ges Schwert
Jetzt fällt auf Priamus. –
Pfui, Metze du, Fortuna! All ihr Götter
Im großen Rat, nehmt ihre Macht hinweg;
Brecht alle Speichen, Felgen ihres Rades,
Die runde Nabe rollt vom Himmelsberg
Hinunter bis zur Hölle!«
Polonius
. Das ist zu lang.
Hamlet
. Er soll mit Eurem Barte zum Balbier. – Ich bitte dich, weiter! Er mag gern eine Posse oder eine Zotengeschichte, sonst schläft er. Sprich weiter, komm auf Hekuba!
Erster Schauspieler
.
»Doch wer, o Jammer!
Die schlotterichte Königin gesehn –«
Hamlet
.
Die schlotterichte Königin?
Polonius
.
Das ist gut; »schlotterichte Königin«
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