Sämtliche Dramen
Wilhelm!
Wilhelm
. Und Euch, Herr, einen guten Abend!
Probstein
. Guten Abend, lieber Freund! Bedeck’ den Kopf! Bedeck’ den Kopf! Nun, sei so gut, bedeck’ dich! Wie alt seid Ihr, Freund?
Wilhelm
. Fünfundzwanzig, Herr.
Probstein
. Ein reifes Alter. Ist dein Name Wilhelm?
Wilhelm
. Wilhelm, Herr.
Probstein
. Ein schöner Name. Bist hier im Walde geboren?
Wilhelm
. Ja, Herr, Gott sei Dank.
Probstein
. »Gott sei Dank«, – eine gute Antwort. Bist reich?
Wilhelm
. Nun, Herr, so, so.
Probstein
. »So, so«, ist gut, sehr gut, ganz ungemein gut, – nein, doch nicht, es ist nur so so. Bist du weise?
Wilhelm
. Ja, Herr, ich hab’ einen hübschen Verstand.
Probstein
. Ei, wohl gesprochen! Da fällt mir ein Sprichwort ein: »Der Narr hält sich für weise, aber der Weise weiß, daß er ein Narr ist.« Wenn der heidnische Philosoph Verlangen trug, Weinbeeren zu essen, so öffnete er die Lippen, indem er sie in den Mund steckte; damit wollte er sagen, Weinbeeren wären zum Essen gemacht und Lippen zum Öffnen. Ihr liebt dieses Mädchen?
Wilhelm
. Das tu’ ich, Herr.
Probstein
. Gebt mir Eure Hand! Bist du gelehrt?
Wilhelm
. Nein, Herr.
Probstein
. So lerne dieses von mir: Haben ist haben, denn es ist eine Figur in der Redekunst, daß Getränk, wenn es aus einem Becher in ein Glas geschüttet wird, eines leer macht, indem es das andere anfüllt; denn alle unsre Schriftsteller geben zu: ipse, ist er; Ihr seid aber nicht ipse, denn ich bin er.
Wilhelm
. Was für ein Er, Herr?
Probstein
. Der Er, Herr, der dies Mädchen heiraten muß. Also, Ihr Tölpel, meidet – was in der Pöbelsprache heißt, verlaßt – den Umgang – was auf bäurisch heißt, die Gesellschaft – dieser Frauensperson – was im gemeinen Leben heißt, Mädchen; welches alles zusammen heißt: meidet den Umgang dieser Frauensperson, oder, Tölpel, du kommst um; oder, damit du es besser verstehst, du stirbst: nämlich ich töte dich, schaffe dich aus der Welt, bringe dich vom Leben zum Tode, von der Freiheit zur Knechtschaft. Ich will dich mit Gift bedienen, oder mit Bastonaden, oder mit dem Stahl; ich will eine Partei gegen dich zusammenrotten, dich mit Politik überwältigen, ich will dich auf hundertundfünfzig Arten umbringen: darum zittre und zieh’ ab!
Käthchen
. Tu’ es, guter Wilhelm!
Wilhelm
. Gott erhalt’ Euch guter Dinge, Herr! Ab.
Corinnus kommt.
Corinnus
. Unsre Herrschaft sucht Euch. Kommt! geschwind, geschwind!
Probstein
. Lauf’, Käthchen! Lauf’, Käthchen! Ich komme nach, ich komme nach.
Alle ab.
¶
Zweite Szene
Ebendaselbst.
Orlando und Oliver treten auf.
Orlando
. Ist es möglich, daß Ihr auf so geringe Bekanntschaft Neigung zu ihr gefaßt? Kaum saht Ihr sie, so liebt Ihr; kaum liebtet Ihr, so warbt Ihr; kaum habt Ihr geworben, so sagt sie auch ja? Und Ihr beharrt darauf, sie zu besitzen?
Oliver
. Macht Euch weder aus der Übereilung davon ein Bedenken, aus ihrer Armut, der geringen Bekanntschaft, meinem schnellen Werben, noch aus ihrem raschen Einwilligen: sondern sagt mit mir, ich liebe Aliena; sagt mit ihr, daß sie mich liebt; willigt mit beiden ein, daß wir einander besitzen mögen. Es soll zu Eurem Besten sein, denn meines Vaters Haus und alle Einkünfte des alten Herrn Roland will ich Euch abtreten, und hier als Schäfer leben und sterben.
Orlando
. Ihr habt meine Einwilligung. Laßt Eure Hochzeit morgen sein, ich will den Herzog dazu einladen und sein ganzes frohes Gefolge. Geht und bereitet Aliena vor, denn seht Ihr, hier kommt meine Rosalinde.
Rosalinde kommt.
Rosalinde
. Gott behüt’ Euch, Bruder!
Oliver
. Und Euch, schöne Schwester!
Rosalinde
. O mein lieber Orlando, wie bekümmert es mich, dich dein Herz in einer Binde tragen zu sehn.
Orlando
. Meinen Arm.
Rosalinde
. Ich dachte, dein Herz wäre von den Klauen eines Löwen verwundet worden.
Orlando
. Verwundet ist es, aber von den Augen eines Fräuleins.
Rosalinde
. Hat Euch Euer Bruder erzählt, wie ich mich stellte, als fiel ich in Ohnmacht, da er mir Euer Tuch zeigte?
Orlando
. Ja, und größere Wunder als das.
Rosalinde
. Oh, ich weiß, wo Ihr hinaus wollt. – Ja, es ist wahr, niemals ging noch etwas so schnell zu, außer etwa ein Gefecht zwischen zwei Widdern, und Cäsars thrasonisches Geprahle: »Ich kam, sah und siegte.« Denn Euer Bruder und meine Schwester trafen sich nicht so bald, so sahen sie; sahen nicht so bald, so liebten sie; liebten nicht so bald, so seufzten sie; seufzten nicht so bald, so fragten
Weitere Kostenlose Bücher