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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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nützlich zu erfahren, welche Motive sich zuweilen unter dem bekannten »sittlich-religiös-patriotischen Bettlermantel« verbergen.
    Ich habe mich nur scheinbar von meinem Gegenstande entfernt. Manche Angriffe gegen den seligen Börne finden durch obige Winke ihre teilweise Erklärung. Dasselbe ist der Fall in Beziehung auf sein Buch »Menzel der Franzosenfresser«. Diese Schrift ist eine Verteidigung des Kosmopolitismus gegen den Nationalismus; aber in dieser Verteidigung sieht man, wie der Kosmopolitismus Börnes nur in seinem Kopfe saß, statt daß der Patriotismus tief in seinem Herzen wurzelte, während bei seinem Gegner der Patriotismus nur im Kopfe spukte und die kühlste Indifferenz im Herzen gähnte… Die listigen Worte, womit Menzel sein Deutschtum wie ein Hausierjude seinen Plunder anpreist, seine alten Tiraden von Hermann dem Cherusker, dem Korsen, dem gesunden Pflanzenschlaf, Martin Luther, Blücher, der Schlacht bei Leipzig, womit er den Stolz des deutschen Volkes kitzeln will, alle diese abgelebten Redensarten weiß Börne so zu beleuchten, daß ihre lächerliche Nichtigkeit aufs ergötzlichste veranschaulicht wird; und dabei brechen aus seinem eigenen Herzen die rührendsten Naturlaute der Vaterlandsliebe, wie verschämte Geständnisse, die man in der letzten Stunde des Lebens nicht mehr zurückhalten kann, die wir mehr hervorschluchzen als aussprechen… Der Tod steht daneben und nickt, als unabweisbarer Zeuge der Wahrheit!
    Ja, er war nicht bloß ein guter Schriftsteller, sondern auch ein großer Patriot.
    In Beziehung auf Börnes schriftstellerischen Wert muß ich hier auch seine Übersetzung der »Paroles d’un croyant« erwähnen, die er ebenfalls in seinem letzten Lebensjahre angefertigt und die als ein Meisterstück des Stils zu betrachten ist. Daß er eben dieses Buch übersetzte, daß er sich überhaupt in die Ideenkreise Lamennais’ verlocken ließ, will ich jedoch nicht rühmen. Der Einfluß, den dieser Priester auf ihn ausübte, zeigte sich nicht bloß in der erwähnten Übersetzung der »Paroles d’un croyant«, sondern auch in verschiedenen französischen Aufsätzen, die Börne damals für den »Réformateur« und die »Balance« schrieb, in jenen merkwürdigen Urkunden seines Geistes, wo sich ein Verzagen, ein Verzweifeln an protestantischer Vernunftautorität gar bedenklich offenbart und das erkrankte Gemüt in katholische Anschauungen hinüberschmachtet…
    Es war vielleicht ein Glück für Börne, daß er starb… Wenn nicht der Tod ihn rettete, vielleicht sähen wir ihn heute römisch-katholisch blamiert.
    Wie ist das möglich? Börne wäre am Ende katholisch geworden? Er hätte in den Schoß der römischen Kirche sich geflüchtet und das leidende Haupt durch Orgelton und Glockenklang zu betäuben gesucht? Nun ja, er war auf dem Wege, dasselbe zu tun, was so manche ehrliche Leute schon getan, als der Ärger ihnen ins Hirn stieg und die Vernunft zu fliehen zwang und die arme Vernunft ihnen beim Abschied nur noch den Rat gab: Wenn ihr doch verrückt sein wollt, so werdet katholisch, und man wird euch wenigstens nicht einsperren, wie andere Monomanen.
    »Aus Ärger katholisch werden« – so lautet ein deutsches Sprichwort, dessen verflucht tiefe Bedeutung mir jetzt erst klar wird. – Ist doch der Katholizismus die schauerlich reizendste Blüte jener Doktrin der Verzweiflung, deren schnelle Verbreitung über die Erde nicht mehr als ein großes Wunder erscheint, wenn man bedenkt, in welchem grauenhaft peinlichen Zustand die ganze römische Welt schmachtete… Wie der einzelne sich trostlos die Adern öffnete und im Tode ein Asyl suchte gegen die Tyrannei der Cäsaren, so stürzte sich die große Menge in die Asketik, in die Abtötungslehre, in die Martyrsucht, in den ganzen Selbstmord der nazarenischen Religion, um auf einmal die damalige Lebensqual von sich zu werfen und den Folterknechten des herrschenden Materialismus zu trotzen…
    Für Menschen, denen die Erde nichts mehr bietet, ward der Himmel erfunden… Heil dieser Erfindung! Heil einer Religion, die dem leidenden Menschengeschlecht in den bittern Kelch einige süße, einschläfernde Tropfen goß, geistiges Opium, einige Tropfen Liebe, Hoffnung und Glauben!
    Ludwig Börne war, wie ich bereits in der ersten Abteilung erwähnte, seiner Natur nach ein geborner Christ, und diese spiritualistische Richtung mußte in den Katholizismus überschnappen, als die verzweifelnden Republikaner, nach den schmerzlichsten Niederlagen,

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