Sämtliche Werke
bisher erdulden mußte, kommen jetzt auf Rechnung des Königs. Der Fußtritt, den der kranke Löwe noch zuletzt in Rom, von der Eselin des Herrn, erhalten hat, erbittert die Franzosen aufs unleidlichste. Man tut ihm aber unrecht; Ludwig Philipp läßt ungern eine Beleidigung hingehen und möchte sich gerne schlagen, nur nicht mit jedem; z.B. er würde sich nicht gern mit Rußland schlagen, aber sehr gern mit den Preußen, mit denen er sich schon bei Valmy geschlagen und die er daher nicht sehr zu fürchten scheint. Man will nämlich nie Furcht an ihm bemerkt haben, wenn von Preußen und dessen bedrohlicher Rittertümlichkeit die Rede ist. Ludwig Philipp Orleans, der Enkel des heiligen Ludwig, der Sprößling des ältesten Königstammes, der größte Edelmann der Christenheit, pflegt dann jovial bürgerlich zu scherzen, wie es doch betrübend sei, daß die uckermärk’sche Kamarilla so gar vornehm und adelstolz auf ihn, den armen Bürgerkönig, herabsehe.
Ich kann nicht umhin, hier zu erwähnen, daß man niemals an Ludwig Philipp den Grandseigneur merkt und daß in der Tat das französische Volk keinen bürgerlicheren Mann zum Könige wählen konnte. Ebensowenig liegt ihm daran, ein legitimer König zu sein, und, wie man sagt, die Guizotsche Erfindung der Quasilegitimität war gar nicht nach seinem Geschmack. Er beneidet Heinrich V. nicht im mindesten ob des Vorzugs der Legitimität und ist durchaus nicht geneigt, deshalb mit ihm zu unterhandeln oder gar ihm Geld dafür zu bieten; aber Ludwig Philipp ist nun einmal der Meinung, daß er das Bürgerkönigtum erfunden habe, er hat ein Patent auf diese Erfindung bekommen; er verdient damit jährlich achtzehn Millionen, eine Summe, die das Einkommen der Pariser Spielhäuser fast übertrifft, und er möchte solch einträgliches Geschäft als ein Monopol für sich und seine Nachkommen behalten. Schon im vorigen Artikel habe ich angedeutet, wie die Erhaltung jenes Königmonopols dem Ludwig Philipp über alles am Herzen liegt und wie, in Berücksichtigung solcher menschlichen Denkungsweise, seine Usurpation der Präsidentur im Konseil zu entschuldigen ist. Noch immer hat er sich, der Tat nach, nicht in die gebührenden Grenzen seiner konstitutionellen Befugnis zurückgezogen, obgleich er, der Form nach, nicht mehr zu präsidieren wagt. Die eigentliche Streitfrage ist noch immer nicht geschlichtet und wird sich wohl bis zur Bildung eines neuen Ministeriums hinzerren. Was aber die Schwäche der Regierung am meisten offenbart, das ist eben, daß nicht das innere Landesbedürfnis, sondern ausländische Ereignisse die Erhaltung, Erneuerung oder Umgestaltung des französischen Ministeriums bedingen. Solche Abhängigkeit von fremdländischen Interessen zeigte sich betrübsam und offenkundig genug während der letzten Vorfallenheiten in England. Jedes Gerücht, das uns in dieser letzten Zeit von dort zuwehte, brachte hier eine neue Ministerkombination in Vorschlag und Beratung. Man dachte viel an Odilon-Barrot, und man war auf gutem Wege, sogar an Mauguin zu denken. Als man das britische Staatssteuer in Wellingtons Händen sah, verlor man ganz den Kopf, und man war schon im Begriff, des militärischen Gleichgewichts halber, den Marschall Soult zum ersten Minister zu machen.
Die Freiheit von England und Frankreich wäre alsdann unter das Kommando zweier alten Soldaten gekommen, die, allem selbständigen Bürgertume fremd oder gar feindlich, nie etwas andres gelernt haben, als sklavisch zu gehorchen oder despotisch zu befehlen. Soult und Wellington sind ihrem Charakter nach bloße Condottieri, nur daß ersterer in einer edlern Schule das Waffenhandwerk gelernt hat und ebensosehr nach Ruhm wie nach Sold dürstet. Nichts Geringeres als eine Krone sollte ihm einst als Beute zufallen, und, wie man mir versichert, Soult war einige Tage lang König von Portugal unter dem Namen Nicolo I., König der Algarven. Die Laune seines strengen Oberherrn erlaubte ihm nicht, diesen königlichen Spaß länger zu treiben. Aber er kann es gewiß nicht vergessen: er hat einst mit vollen Ohren den süßen Majestätstitel eingesogen, mit berauschten Augen hat er die Menschen, in untertänigster Haltung, vor sich knien sehen, auf seinen gnädigen Händen fühlt er noch die brennenden portugiesischen Lippen – und ihm sollte die Freiheit Frankreichs anvertraut werden! Über den andern, über Mylord Wellington, brauche ich wohl nichts zu sagen. Die letzten Begebenheiten haben bewiesen, daß ich in meinen
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