Sämtliche Werke
vermag, ja, ich habe noch vor den Juliustagen den Robespierre und den Sanktum Justum und den großen Berg bewundert – aber ich möchte dennoch nicht unter dem Regimente solcher Erhabenen leben, ich würde es nicht aushalten können, alle Tage guillotiniert zu werden, und niemand hat es aushalten können, und die französische Republik konnte nur siegen und siegend verbluten. Es ist keine Inkonsequenz, daß ich diese Republik enthusiastisch liebe, ohne im geringsten die Wiedereinführung dieser Regierungsform in Frankreich und noch weniger eine deutsche Übersetzung derselben zu wünschen. Ja, man könnte sogar, ohne inkonsequent zu sein, zu gleicher Zeit wünschen, daß in Frankreich die Republik wieder eingeführt und daß in Deutschland hingegen der Monarchismus erhalten bleibe. In der Tat, wem die Sicherung der Siege, die für das demokratische Prinzip erfochten worden, mehr als alle andere Interessen am Herzen liegt, dürfte leicht in solchen Fall geraten.
Hier berühre ich die große Streitfrage, worüber jetzt in Frankreich so blutig und bitter gestritten wird, und ich muß die Gründe anführen, weshalb so viele Freunde der Freiheit immer noch der gegenwärtigen Regierung anhängen und warum andere den Umsturz derselben und die Wiedereinführung der Republik verlangen. Jene, die Philippisten, sagen: Frankreich, welches nur monarchisch regiert werden könne, habe an Ludwig Philipp den geeignetsten König; er sei ein sicherer Schützer der erlangten Freiheit und Gleichheit, da er selber in seinen Gesinnungen und Sitten vernünftig und bürgerlich ist; er könne nicht, wie die vorige Dynastie, einen Groll im Herzen tragen gegen die Revolution, da sein Vater und er selber daran teilgenommen; er könne das Volk nicht an die vorige Dynastie verraten, da er sie als Verwandter inniger als andere hassen muß; er könne mit den übrigen Fürsten in Frieden bleiben, da diese, seiner hohen Geburt halber ihm seine Illegitimität zugute halten, statt daß sie gleich den Krieg erklärt hätten, wenn ein bloßer Roturier auf den französischen Thron gesetzt oder gar die Republik proklamiert worden wäre; und doch sei der Frieden nötig für das Glück Frankreichs. Dagegen behaupten die Republikaner: Das stille Glück des Friedens sei gewiß ein schönes Gut, es habe jedoch keinen Wert ohne die Freiheit; in dieser Gesinnung hätten ihre Väter die Bastille gestürmt und Ludwig Capet das Haupt abgeschlagen und mit der ganzen Aristokratie Europas Krieg geführt; dieser Krieg sei noch nicht zu Ende, es sei nur Waffenstillstand, die europäische Aristokratie hege noch immer den tiefsten Groll gegen Frankreich, es sei eine Blutfeindschaft, die nur mit der Vernichtung der einen oder der andern Macht aufhöre; Ludwig Philipp aber sei ein König, die Erhaltung seiner Krone sei ihm die Hauptsache, er verständige und verschwägere sich mit Königen, und hin- und hergezerrt durch allerlei Hausverhältnisse und zur leidigsten Halbheit verdammt, sei er ein unzulänglicher Vertreter jener heiligsten Interessen, die einst nur die Republik am kräftigsten vertreten konnte und derenthalber die Wiedereinführung der Republik eine Notwendigkeit sei.
Wer in Frankreich keine teueren Güter besitzt, die durch den Krieg zugrunde gehen können, mag man leicht eine Sympathie für jene Kampflustigen empfinden, die dem Siege des demokratischen Prinzips das stille Glück des Lebens aufopfern, Gut und Blut in die Schanze schlagen und so lange fechten wollen, bis die Aristokratie in ganz Europa vernichtet ist. Da zu Europa auch Deutschland gehört, so hegen viele Deutsche jene Sympathie für die französischen Republikaner; aber wie man oft zu weit geht, so gestaltet sie sich bei manchen zu einer Vorliebe für die republikanische Form selbst, und da sehen wir eine Erscheinung, die kaum begreifbar, nämlich deutsche Republikaner. Daß Polen und Italiener, die ebenso wie die deutschen Freiheitsfreunde von den französischen Republikanern mehr Heil erwarten als von dem Justemilieu und sie daher mehr lieben, jetzt auch für die republikanische Regierungsform, die ihnen nicht ganz fremd ist, eine Vorliebe empfinden, das ist sehr natürlich. Aber deutsche Republikaner! man traut seinen Ohren kaum und seinen Augen, und doch sehen wir deren hier und in Deutschland.
Noch immer, wenn ich meine deutschen Republikaner betrachte, reibe ich mir die Augen und sage zu mir selber: Träumst du etwa? Lese ich gar die »Deutsche Tribüne« und ähnliche Blätter, so
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