Sämtliche Werke
Franzosen und Deutsche, in der jüngsten Zeit viel voneinander gelernt; jene haben viel deutsche Philosophie und Poesie angenommen, wir dagegen die politischen Erfahrungen und den praktischen Sinn der Franzosen; beide Völker gleichen jenen Homerischen Heroen, die auf dem Schlachtfelde Waffen und Rüstungen wechseln als Zeichen der Freundschaft. Daher überhaupt diese große Veränderung, die jetzt mit den deutschen Schriftstellern vorgeht. In früheren Zeiten waren sie entweder Fakultätsgelehrte oder Poeten, sie kümmerten sich wenig um das Volk, für dieses schrieb keiner von beiden, und in dem philosophischen poetischen Deutschland blieb das Volk von der plumpsten Denkweise befangen, und wenn es etwa einmal mit seinen Obrigkeiten haderte, so war nur die Rede von rohen Tatsächlichkeiten, materiellen Nöten, Steuerlast, Maut, Wildschaden, Torsperre usw.; – während im praktischen Frankereich das Volk, welches von den Schriftstellern erzogen und geleitet wurde, viel mehr um ideelle Interessen, um philosophische Grundsätze, stritt. Im Freiheitskriege (lucus a non lucendo) benutzten die Regierungen eine Koppel Fakultätsgelehrte und Poeten, um für ihre Kroninteressen auf das Volk zu wirken, und dieses zeigte viel Empfänglichkeit, las den »Merkur« von Joseph Görres, sang die Lieder von E. M. Arndt, schmückte sich mit dem Laube seiner vaterländischen Eichen, bewaffnete sich, stellte sich begeistert in Reih und Glied, ließ sich »Sie« titulieren, landstürmte und focht und besiegte den Napoleon; – denn gegen die Dummheit kämpfen die Götter selbst vergebens. Jetzt wollen die deutschen Regierungen jene Koppel wieder benutzen. Aber diese hat unterdessen immer im dunkelen Loch angekettet gelegen und ist sehr räudig geworden, in übeln Geruch gekommen und hat nichts Neues gelernt und bellt noch immer in der alten Weise; das Volk hingegen hat unterdessen ganz andere Töne gehört, hohe, herrliche Töne von bürgerlicher Gleichheit, von Menschenrechten unveräußerlichen Menschenrechten, und mit lächelndem Mitleiden, wo nicht gar mit Verachtung, schaut es hinab auf die bekannten Kläffer, die mittelalterlichen Rüden, die getreuen Pudel und die frommen Möpse von 1814.
Nun freilich, die Töne von 1832 möchte ich nicht samt und sonders vertreten. Ich habe mich schon oben geäußert in betreff der befremdlichsten dieser Töne, nämlich über unsere deutschen Republikaner. Ich habe den zufälligen Umstand gezeigt, woraus ihre ganze Erscheinung hervorgegangen. Ich will hier durchaus nicht ihre Meinungen bekämpfen; das ist nicht meines Amtes, und dafür haben ja die Regierungen ihre besonderen Leute, die sie dafür besonders bezahlen. Aber ich kann nicht umhin, hier die Bemerkung auszusprechen: der Hauptirrtum der deutschen Republikaner entsteht dadurch, daß sie den Unterschied beider Länder nicht genau in Anschlag bringen, wenn sie auch für Deutschland jene republikanische Regierungsart wünschen, die vielleicht für Frankreich ganz passend sein möchte. Nicht wegen seiner geographischen Lage und des bewaffneten Einspruchs der Nachbarfürsten kann Deutschland keine Republik werden, wie jüngst der Großherzog von Baden behauptet hat. Vielmehr sind es eben jene geographischen Verhältnisse, die den deutschen Republikanern bei ihrer Argumentation zugute kämen, und was ausländische Gefahr betrifft, so wäre das vereinigte Deutschland die furchtbarste Macht der Welt, und ein Volk, welches sich unter servilsten Verhältnissen immer so vortrefflich schlug, würde, wenn es erst aus lauter Republikanern bestünde, sehr leicht die angedrohten Baschkiren und Kalmücken an Tapferkeit übertreffen. Aber Deutschland kann keine Republik sein, weil es seinem Wesen nach royalistisch ist. Frankreich ist, im Gegenteil, seinem Wesen nach republikanisch. Ich sage hiermit nicht, daß die Franzosen mehr republikanische Tugenden hätten als wir; nein, diese sind auch bei den Franzosen nicht im Überfluß vorhanden. Ich spreche nur von dem Wesen, von dem Charakter, wodurch der Republikanismus und der Royalismus sich nicht bloß voneinander unterscheiden, sondern sich auch als grundverschiedene Erscheinungen kundgeben und geltend machen.
Der Royalismus eines Volks besteht, dem Wesen nach, darin, daß es Autoritäten achtet, daß es an die Personen glaubt, die jene Autoritäten repräsentieren, daß es in dieser Zuversicht auch der Person selbst anhängt. Der Republikanismus eines Volks besteht, dem Wesen nach, darin, daß der
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