Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
mexikanischen Provinz Sonora , in einer nicht geringen Aufregung befanden.
Sonora , einer der reichsten Staaten der Konföderation von Mexiko, bildete damals eine der am wenigsten bekannten Gegenden Mittelamerika’s. Die Natur hat dieses Land mit außerordentlich reichen Gaben bedacht. Der durch den Pflug kaum aufgeritzte Boden bedeckt sich dort jährlich mit zwei höchst ergiebigen Ernten; die Wälder liefern einen unermeßlichen Vorrath von werthvollen Nutz- und Farbhölzern; das Thierreich bietet dem Menschen in großen Pferde-und Rinderheerden und einem beinahe unerschöpflichen Wildbestande die Befriedigung seiner ersten und letzten Bedürfnisse, und was die mineralen Verhältnisse betrifft, so konnte man vor noch nicht sehr langer Zeit an vielen Orten Gold in Menge finden, und es rivalisirte in dieser Beziehung dieses so verschwenderisch ausgestattete Land unter dem besten Erfolge mit dem heut zu Tage so vielgerühmten Kalifornien.
Viele gab es, die in Folge der Fruchtbarkeit ihrer Heerden und des jungfräulichen Bodens sich ein mehr als fürstliches Vermögen sammelten, und ebenso Viele gelangten durch die Auffindung eines einzigen Stückes gediegenen Goldes zu einem Reichthum, der allerdings meist ebenso schnell verloren ging, wie er gefunden wurde.
Wo viel Licht ist, da findet sich gewiß auch immer viel Schatten. Die Vorzüge des Staates Sonora sind mit Uebelständen gepaart, von denen sie außerordentlich beeinträchtigt werden. Ungeheure Einöden, nur dem beherzten Manne zugängig, durchziehen das Land; in den Wäldern hausen die Riesen des Raubthiergeschlechtes, und über die weiten Ebenen tummelt der unversöhnliche Indianer sein Roß, der keinen größern Reichthum kennt als denjenigen der Skalpe, die er seinem weißen Feinde abgenommen hat.
Von Zeit zu Zeit wagen sich Leute, deren alleinige Industrie in der praktischen Ausbeutung ihrer metallurgischen Kenntnisse besteht, in diese Einöden. Sich tausend Entbehrungen und Gefahren aussetzend, schlagen sie in aller Eile eine zu Tage liegende Silberader aus oder beschäftigen sich mit dem Auswaschen des goldhaltigen Sandes. Dann kommen sie, von den Indianern vertrieben und verfolgt, in die bewohnten Distrikte zurück und geben die fabelhaftesten Berichte über Schätze, die von ihnen flüchtig gesehen wurden, aber unzugänglich seien, über ungeheuer reiche Minen oder unerschöpfliche und zu Tage tretende Goldmassen zum Besten. Diese Goldsucher oder Gambusinos, wie man sie nennt, sind für die Bergwerksindustrie ganz dasselbe, was die nordamerikanischen Sauatters und Trappers für den Ackerbau und den Handel sind, und unterhalten durch ihre Erzählungen, in denen die Uebertreibung stets eine größere Rolle spielt als die Wahrheitsliebe, einen steten Durst nach Gold und ein immer reges Gelüste nach Eroberung derjenigen Länderstrecken, in denen man hofft, diesen Durst befriedigen zu können.
Zuweilen tritt ein kühner Abenteurer auf, der auf das allgemeine Verlangen nach Gold und Silber einen sanguinischen Plan erbaut; er gefällt sich in den verlockendsten Schilderungen, ist vielleicht in der glücklichen Lage, ein schweres Nugget oder sonst einen nicht ganz gewöhnlichen Fund vorzeigen zu können; andere Abenteurer gesellen sich ihm zu, junge Leute von guter Familie, die im Spiele oder durch eine sonstige Veranlassung all das Ihrige verloren haben, Männer, welche sich auf irgend eine Art und Weise mit der Justiz überworfen, Jäger und Fallensteller, welche die Gelegenheit benutzen wollen – es kommt eine Expedition zu Stande. Allein sie ist leichtsinnig unternommen oder tollkühn geleitet worden, sie verunglückt, und von den Vielen, welche ausgezogen sind, kommen kaum einige Wenige zurück, um von den Gefahren und Entbehrungen zu berichten, denen die Andern zum Opfer gefallen sind. Da wird plötzlich irgendwo wieder ein großer Fund gethan, das Fieber beginnt abermals, eine neue Expedition kommt zu Stande und – geht ganz unter denselben Verhältnissen zu Grunde.
Der größte Feind all dieser Unternehmungen ist nicht der Hunger oder der Durst, nicht der riesige Bär der amerikanischen Wälder, nicht der starke, blitzschnelle Jaguar oder das in den Sümpfen lauernde Krokodil, sondern der Indianer, der in dem Weißen nur den Räuber kennt, welcher ihn widerrechtlich aus dem Lande treibt, wo die Grabhügel seiner großen Krieger, die Wigwams seiner Stammesgenossen liegen und ungezählte Heerden ihm seit Jahrhunderten den Unterhalt
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