Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Comanche auf sie zu. Die beiden Jäger folgten. Er war noch nicht weit emporgestiegen, so blieb er stehen und deutete auf einen Gegenstand, welcher an einem Eichenholzstrauche hängen geblieben war.
»Ein Stück vom Gürtel Fabians!« rief Bois-rosé. »Wir sind auf der richtigen Fährte. Vorwärts!«
Falkenauge eilte voran. Nicht der geringste Gegenstand, so klein und unbedeutend er auch sein mochte, entging seinem von frühester Jugend auf geübten Blicke, obgleich er so schnell vorwärts schritt, daß die beiden Jäger besorgten, es könne irgend etwas Wichtiges ihrer Aufmerksamkeit entwischen. Er bog sofort in den Pfad ein, welcher am Rande der Höhe hinführte. Hier war die Verwüstung zu bemerken, welche gestern die Kugeln der Jäger angerichtet hatten. Die Leichen der getroffenen Indianer lagen zwischen abgerissenen Aesten, doch der Comanche schien sich nicht um sie zu kümmern, sondern eilte vorwärts, als sei er der Untrüglichkeit eines Gedankens gewiß, der seine Schritte lenkte.
Trotz dieser Eile nahmen sich die »Herren der Prairie« die Zeit, die gefallenen Apachen ihrer Munition zu berauben, was El Mestizo wohl vergessen hatte. Pulver und Blei sind für die Steppe nothwendige Requisiten, von denen man nicht eine zu große Menge bei sich führen kann.
Der Comanche stieg drüben auf der anderen Seite des Berges, da, wo auch Baraja und Oroche hinabgelangt waren, als sie das Pferd Cuchillo’s suchten, nieder und bog dann nach seitwärts zwischen die Felsen hinein. Dort legte er sich, nachdem er den Blick wie einen Zirkel so scharf an die Umgebung gesetzt hatte, zur Erde nieder und lauschte aufmerksam. Dann sprang er auf.
»Das Wasser des See’s flüstert unter Falkenauge; er wird seiner Stimme folgen!«
Von Zeit zu Zeit wieder lauschend, schritt er wieder zurück, bog bald rechts, bald links ab und blieb dann vor einer Oeffnung halten, welche wie ein Thor in den Felsen führte. Dort bückte er sich nieder.
»Uff!« klang es befriedigt. »Die Seele des Comanchen hat ihm die Wahrheit verkündet. Meine Brüder mögen in das Wasser blicken!«
Sie traten näher und bemerkten, daß sie den verborgenen Kanal vor sich hatten, durch welchen der See sein Wasser dem Rio Gila zuschickte. Die Wellen des Kanals waren nicht tief und so krystallhell, daß man den Boden deutlich sehen konnte, in dessen weichem Niederschlage sich die Abdrücke von vier Füßen zeigten, deren Spitzen in das Dunkel des Kanals hineinführten.
Der Comanche entledigte sich seiner Moccassins und Gamaschen und stieg hinab, um den Fußstapfen zu folgen. Schon nach einigen Minuten kehrte er zurück, ein Stück Büffelhautriemen in der Hand.
Das Kanoe der Räuber hat an diesem Riemen gehangen, den sie mit der Schärfe des Messers zerschnitten haben.
Der Riemen war zu fest in den Felsen gekeilt gewesen, so das El Mestizo gezwungen gewesen war, ihn zu zerschneiden. Von dem zurückgebliebenen Ende stammte das Stückchen, welches der Kanadier jetzt in seiner Hand hielt, um die Schnittfläche zu untersuchen. Sie war noch so frisch, daß sie zur Genüge bewies, daß der Schnitt erst während der vergangenen Nacht stattgefunden habe.
»Aber es sind die Spuren von nur vier Füßen!« meinte Pepe.
»Der große Pfadfinder wurde getragen,« antwortete der Indianer. »Meine weißen Brüder mögen die Zahl der Füße zählen!«
Wirklich ging aus der Anzahl der Eindrücke hervor, daß sich der zuerst Einsteigende umgewandt haben müsse, um eine Last in Empfang zu nehmen.
»Dieser Kanal führt in den Rio Gila. Es ist bestimmt, daß die Räuber nach dem Büffelsee gehen. Wir brauchen ihren Spuren nicht direkt zu folgen, sondern können die Ecke, welche die ›rothe Gabel‹ bildet, abschneiden,« schlug Rosenholz vor, welcher vor Begierde brannte, die Räuber zu ereilen. »Wir müssen sie haben, ehe es ihnen gelingt, die Apachen zu erreichen.«
»Mein Bruder sei ruhig,« tröstete Falkenauge. »Auf der Büffelinsel harren zehn tapfere Krieger der Comanchen auf Falkenauge. Sie werden sich vor den Hunden der Apachen verbergen, die Räuber der Wüste aber nicht vorüberlassen. Meine Brüder mögen kommen, damit Falkenauge sein Pferd hole. Er wird ihnen zwei Thiere der todten Apachen fangen, damit sie nicht zu gehen brauchen auf ihren Füßen, welche nicht so schnell sind wie die Hufe des Mustangs.« – –
An demselben Morgen und ungefähr um dieselbe Zeit, in welcher Falkenauge von seinem Schlafe erwacht war, näherten sich von Norden her
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