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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hervor.
    Unter dem Schatten dieses Gehölzes hielt ein zweiter Reitertrupp. Da waren weder Verschanzungen noch Wagen oder Saumthiere zu bemerken. Allein dies war nicht der einzige Kontrast, den dieser Trupp mit dem andern bildete. Er bestand aus einer doppelt so starken, also vielleicht hundertundzwanzig Mann zählenden Horde von Indianern. Ihre Gesichtsfarbe erinnerte stark an florentinische Bronze; die einen waren beinahe nackt, die andern mit fliegenden Ledergewändern und wallenden Büschen von Adlerfedern bekleidet; ihre Gesichter hatten sie mit hellem Zinnoberroth und gelbem Ocker bemalt, und an dem wilden, seltsamen Schmucke ihrer Pferde konnte man leicht erkennen, daß sie sich auf dem Kriegspfade befanden.
    Fünf von diesen Söhnen der Wildniß, ohne Zweifel die Häuptlinge, saßen ernst um ein Lager herum, welches nach indianischer Sitte geschürt wurde, so daß man von Weitem weder Rauch noch Flamme bemerkte, und ließen die lange Pfeife, welche bei allen Berathungen der Indianer eine so große Rolle spielt, im Kreise cirkuliren. Ein lederner Schild, um dessen Rand eine dichte Federfranse lief, ein langer Spieß, eine Makana (Mordkeule) und ein Skalpirmesser bildeten die Ausrüstung eines jeden dieser Häuptlinge.
    In einiger Entfernung von ihnen wurden von fünf Kriegern ihre Pferde gehalten. Es waren schöne, feurige Thiere, die kaum zu zügeln waren. Sie trugen seltsam aussehende hölzerne Sättel, welche mit ungegerbtem Leder überzogen waren, und ungegerbte Fuchsfelle schmückten ihr Kreuz.
    Während einer der Häuptlinge die Pfeife weiter reichte, zeigte er lautlos mit dem Finger nach Westen auf einen Punkt am Horizonte hin.
    Das Auge eines Europäers hätte dort nur ein gräuliches Wölkchen erblickt, allein der scharfe Blick des Indianers nahm gar wohl die weiße Rauchsäule wahr, welche aus dem Lager der Weißen aufstieg und in der Höhe dieses Wölkchen bildete.
    In diesem Augenblick brachte ein Bote eine ohne Zweifel sehr wichtige Nachricht, denn alle Krieger bildeten sofort eine lebhafte, malerische Gruppe um ihn her.
    Er trat zu den Häuptlingen.
    »Der Aelteste unserer Väter hat mich ausgesandt, zu ergründen den Weg der weißen Männer, welche gekommen sind in das Land der rothen Krieger aus einem Grunde, den wir noch nicht kennen. Dort« – er zeigte dabei nach dem Wölkchen – »haben sie sich gelagert, an Zahl fünf mal so groß, als das Jahr Monden hat, mit Wagen, Pferden und Maulthieren. Aber dort, wo kein Feuer brennt« – er deutete nach dem Flusse – »sind drei Bleichgesichter auf der grünen Insel, groß von Gestalt, wie die alten Urväter der rothen Männer, welche im Grabe liegen seit tausend Jahren.«
    Der älteste der Häuptlinge blies ruhig den Rauch durch die Nase, gab die Pfeife seinem Nachbar und befahl dem Boten, die drei Männer einzeln zu beschreiben.
    »Ich sah einen Mann, groß und breit, wie ich noch niemand sah, zwei Köpfe höher denn ich selbst. Er hat das Auge eines Kindes aber die Gestalt eines Bären, und zehn Krieger können ihn nicht niederringen.«
    Ein ungläubiges Gemurmel ließ sich unter der Zuhörerschaft vernehmen. Der Häuptling winkte mit der Hand.
    »Es gibt nur ein Bleichgesicht, welches zehn Krieger nicht zur Erde ringen können. Seine Kugel trifft die zickzackende Schwalbe, seine Faust betäubt den Büffel und seine Stimme ist wie der Donner um Mitternacht. Er lebt weit im Lande der Sioux gegen Norden, ist noch niemals über das Gebiet der Comanchen herübergekommen, und wird von den rothen Männern der ›große Adler‹ genannt. Mein Sohn beschreibe den Zweiten!«
    »Das andere Bleichgesicht ist nicht so hoch und stark, aber dennoch höher und stärker als die Männer der Apachen. In seinem Auge wohnt das Feuer, in seinem Fuß die Schnelligkeit des Hirsches, und seine Hand ist behend wie die Zunge der Schlange, die nie ruhen kann.«
    »Aus welcher Gegend kommen diese Bleichgesichter?«
    »Sie haben die Züge des Menschen, der gegen Mitternacht wohnt.«
    »Mein Sohn beschreibe den dritten.«
    »Er hat das Angesicht des Südens, ist jung wie die Strahlen der Morgensonne und schön wie die Squaw im neuen Wigwam des Kriegers. Sein Haupt ist höher, denn das meine, und seine Stärke und Gewandtheit wie die des Panthers im Urwalde. Ich habe gesprochen!«
    Der Bote trat zurück.
    Einige Augenblicke des Schweigens folgten, während   denen die Pfeife angelegentlich herumgereicht wurde. Dann forderte der Aelteste seine vier »Brüder« auf, ihre

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