Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
schoß ihm nach und ergriff ihn beim Halse; ein Druck seiner starken Hand und Knox hing in derselben, schlaff wie ein Lappen. Ein Indianer kam gerannt, um dem Häuptling das Messer zu bringen. Dieser nahm es, warf den halb Erstickten auf den Boden, kniete auf ihn – drei schnelle Schnitte, ein Ruck am Haare, ein entsetzlicher Schrei des unter ihm Liegenden, und er erhob sich, den blutigen Skalp in der linken Hand. Knox bewegte sich nicht; er war wieder ohnmächtig geworden; sein Schädel bot einen entsetzlichen Anblick dar.
»So muß es jedem Hund ergehen, welcher die roten Männer zerreißt und dann Unschuldige vernichten will!« rief der »große Wolf«, indem er den Skalp in den Gürtel steckte.
Hilton hatte mit Grauen gesehen, was seinem Gefährten geschehen war. Der Schreck machte ihn fast unbeweglich; er sank langsam neben dem Skalpierten nieder und blieb dort sitzen, ohne ein Wort zu sagen.
Der Häuptling gab ein Zeichen, auf welches die Roten herbeikamen; bald wimmelte die Lichtung von ihnen. Hilton und Knox wurden mit Riemen gefesselt.
Old Shatterhand war, sobald der »große Wolf« vom Skalpieren gesprochen hatte, auf den Felsen gestiegen, um nicht Zeuge der grausigen Scene sein zu müssen, sondern seinen Gefährten mitzuteilen, welches Resultat er erzielt habe.
»Das ist schlimm,« meinte Jemmy. »Konnten Sie uns denn nicht ganz frei bringen?«
»Nein; das war unmöglich.«
»Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn Sie es hätten zum Kampfe kommen lassen!«
»Ganz gewiß nicht. Es hätte uns jedenfalls das Leben gekostet.«
»Oho! Wir hätten uns gewehrt. Und bei der Angst, welche die Roten vor dem Stutzen haben, hätten wir nicht zu verzweifeln gebraucht. Sie hätten es sicher nicht gewagt, uns nahe zu kommen.«
»Das ist wahrscheinlich; aber sie hätten uns ausgehungert. Ich habe zwar davon gesprochen, daß wir unsre Pferde verzehren würden, aber ich wäre lieber vor Hunger gestorben, als daß ich meinen Rappen getötet hätte.«
»Das hätten Sie gar nicht zu thun gebraucht. Bei der Eröffnung der Feindseligkeiten wäre es für die Roten das erste gewesen, unsre Pferde zu erschießen.«
»Aber gerade dadurch wären wir des besten Mittels, zu entkommen, beraubt gewesen.«
»Fort mit den Pferden! Wir selbst hätten uns gerettet. Zweihundert Mann rund um die Blöße! Die Roten stehen also nicht dicht bei- oder gar hintereinander. Wir hätten uns, sobald es dunkel wurde, von den Felsen fortgeschlichen, vier Personen gerade auf einen Punkt. Vielleicht wären wir auf eine Lücke gestoßen und durch dieselbe entkommen; keinesfalls aber hätten wir es mit mehr als einem oder höchstens zwei Roten zu thun gehabt – – zwei Schüsse oder zwei Stiche und wir wären durchgebrochen.«
»Aber was dann? Du stellst dir die Sache ganz anders vor, als sie geworden wäre. Die Roten hätten rundum Feuer angebrannt und unsre Absicht, zu entfliehen, sofort bemerkt. Und selbst wenn es uns gelungen wäre, ihre Reihe zu durchbrechen, so hätten wir gar nicht sehr weit kommen können, ohne sie auf unsrer Spur zu haben. Wir hätten einige von ihnen töten müssen und dann nicht die mindeste Aussicht auf Schonung gehabt.«
»Das is sehr richtig,« stimmte der Hobble-Frank bei. »Ich weeß gar nich, wie es so eenem dicken Jemmy Pfefferkorn nur beikommen kann, gescheiter als unser Old Shatterhand sein zu wollen. Du bist immer und schtets das Gänseei, welches klüger als die Henne sein will. Old Shatterhand hat sein möglichstes gethan, und ich gebe ihm dafür die erschte Zensur mit der Eens und eenem Schternchen hintendran, und ich gloobe sehr beschtimmt, daß der Davy ganz derselbigen Ansicht is.«
»Das versteht sich ganz von selbst,« antwortete dieser. »Der Kampf hätte zu unserm sichern Untergang geführt.«
»Wozu aber führt es, daß wir mit ihnen ziehen?« fragte Jemmy. »Es ist doch anzunehmen, daß die Versammlung der Alten uns auch als Feinde behandelt.«
»Das wollt’ ich ihnen nich geraten haben,« drohte Frank. »Bei der Geschichte habe ich doch ooch noch een Wörtchen mitzuschprechen. Mich bringt keener leicht an so eenen Marterpfahl. Ich wehre mich mit Haut und Haar dagegen.«
»Das darfst du ja nicht. Es ist geschworen worden. Wir müssen alles ruhig über uns ergehen lassen.«
»Wer hat denn das gesagt? Siehste denn wirklich nich ein, du trauriger Seefensieder, daß dieser Schwur seine Mucken und Parabeln hat. Es gehört doch wahrhaftig keen gastronomisches Spiegelteleskop dazu,
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