Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
erzählt es morgen allen, die euch in der Stadt begegnen!«
Er brauchte diesen Befehl eigentlich gar nicht auszusprechen, denn die guten Leute wären am liebsten gleich jetzt, mitten in der Nacht, mit der Kunde fortgeeilt, daß der weitberühmte Mann mit fünfundzwanzig Begleitern bei ihrem Herrn eingekehrt sei und eine große Summe in lauter vollwichtigen Goldstücken bezahlt habe. So aber mußten sie leider schlafen gehen.
Und schon am nächsten Morgen, als man kaum aufgestanden war, gab es auch wieder fremde Gäste. Rodrigo Sereno war eben erst von seinem Lager aufgestanden und schlürfte gemächlich seinen Mate aus der silbernen Röhre, da traten zwei kleine, überaus rot gekleidete Menschen ein, welche bis an die Zähne bewaffnet waren. Der eine fragte sofort, als er die Thür geschlossen hatte:
»Sind Sie der Wirt Rodrigo Sereno, Señor?«
»Ja, Señores,« antwortete der Gefragte.
»So sind wir in das richtige Haus, lateinisch Domus oder auch Aedificium genannt, gekommen; haben Sie Maultiere zu verkaufen?«
»Gern, so viele Sie brauchen.«
»Und außerdem kann man bei Ihnen zu essen und zu trinken bekommen?«
»Alles, was die Señores wünschen. Setzen Sie sich nieder und teilen Sie mir Ihre Befehle mit!«
Er rückte ihnen zwei Stühle am Tische bequem und forderte sie durch eine Handbewegung auf, sich auf denselben niederzulassen. Seine Worte hatten einen Ton, welcher ein klein wenig ironisch klang. Er schien die kleinen Männer trotz der Waffen, welche sie trugen, nicht für voll anzusehen. Sie schienen dies entweder gar nicht zu bemerken oder wenigstens nicht zu beachten, verlangten heißen Mate und ein Gebäck dazu und machten es sich dann auf den Stühlen bequem, welche er seinen Gästen hinstellte.
Als er ihnen das Verlangte gebracht und vorgesetzt hatte, nahm er bei ihnen in der Weise Platz, wie man es bei Leuten thut, die man nicht ganz für seinesgleichen hält, musterte sie mit einem von oben herab gerichteten Blicke und sagte:
»Darf man vielleicht erfahren, ob die Señores sich hier in Salta aufzuhalten gedenken?«
»Wir kaufen Maultiere, also wollen wir fort,« antwortete Fritze Kiesewetter.
»Wo kommen Sie her?«
»Aus Tucuman.«
»Auch aus Tacuman? Und natürlich auch nicht mit der Diligence?«
»Nein. Wir haben Postpferde geritten. Aus Ihrer Frage geht hervor, daß noch andre von dorther gekommen sind, und zwar auch nicht mit der Diligence?«
»Ja. Gestern abend kam eine ganze Gesellschaft hier an, und vorgestern trafen auch schon zwei Männer ein. Wo wollen Sie hin, Señores?«
»Zunächst hinauf nach der Salina del Condor. Aber wir kennen den Weg nicht. Ist es wohl möglich, hier einen Führer zu bekommen, auf den man sich verlassen kann?«
»Warum nicht? Wenn Sie ihn gut bezahlen, will ich Ihnen sofort einen besorgen. Ich habe einen Knecht, welcher früher einigemal da oben gewesen ist und sich wohl bestimmen lassen wird, Ihr Führer zu sein. Sie werden ihn bei den Maultieren finden, die Sie sich ansehen können, sobald es Ihnen beliebt.«
Der Peon, von welchem er sprach, war jedenfalls kein zuverlässiger Knecht, sonst hätte er ihn nicht so bereitwillig hergegeben. Als die beiden Reisenden dann mit diesem Manne sprachen, erklärte er, daß er gern mit ihnen reiten werde, und stellte auch so günstige Bedingungen, daß sie ohne Handel auf dieselben eingingen. Desto teurer aber waren die Maultiere, welche sie kauften. Sie mußten für das Stück fünfzig Bolivianos bezahlen, also über noch einmal so viel, als der Wirt gestern und vorgestern erhalten hatte. Dazu kamen die Sättel und die Proviantvorräte, welche sie sich mitnahmen. Während die letzteren im Zimmer eingepackt wurden, fragte Doktor Morgenstern den Wirt im Laufe des Gespräches:
»Señor, Sie sprachen von Leuten, welche gestern und vorgestern aus Tucuman hier angekommen seien. Kannten Sie dieselben vielleicht?«
»Allerdings. Es waren Männer von sehr berühmten Namen.«
»Darf ich diese Namen erfahren?«
»Warum nicht? Ich bin sogar stolz darauf, Ihnen mitteilen zu können, daß solche Señores bei mir verkehren. Am vorgestrigen Abend hatte ich den weitbekannten Gambusino Benito Pajaro mit noch einem Herrn als Gäste bei mir.«
»Den Gambusino? So sind wir also auf der richtigen Spur, lateinisch Semita oder auch Vestigium genannt. Der andre ist jedenfalls Antonio Perillo gewesen?«
»Ja, er war es. Kennen Sie denn diese Señores?«
»Besser, als Sie vielleicht denken. Und wer waren die Herren, welche
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