Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
eigentlich von Tucuman aus einen andern Weg, schlossen sich aber gern den Freunden an, welche bei den Cambas natürlich einen sehr freundlichen Empfang fanden.
Dort hatte der Doktor Parmesan Rui el Iberio auf sie gewartet. Als er erfuhr, was geschehen war, rief er bedauernd aus –
»Wie schade, daß ich nicht mit den beiden deutschen Gelehrten nachgekommen bin! Die beiden verbrannten Mörder wären am Leben geblieben, denn ich hätte die große und einzig dastehende Operation gemacht, ihnen die versengte Haut vom Körper zu schneiden und dadurch der unterbrochenen Transsudation Luft zu machen. Sie wissen ja, ich säble alles herunter.«
Der Aufenthalt bei den Cambas wurde benutzt, dem Doktor Morgenstern beim Zerlegen und Verpacken seines Riesentieres beizustehen. Die einzelnen Teile sollten auf Packpferden transportiert werden. Dann zog die Hälfte der Truppe des Vater Jaguar in die Wälder, um Paraguaythee zu sammeln, während die andern unter Anführung Hammers, Engelhardt, seinen Sohn, Morgenstern und Fritze nach Buenos Ayres begleiteten. Der Inka war mit seinem Anciano auch dabei, da der letztere seine Bereitwilligkeit erklärt hatte, die Seereise mit ihm zu unternehmen.
Jahre sind seitdem vergangen. Leider soll der Name der deutschen Stadt nicht genannt werden, in welcher Doktor Morgenstern seinen Studien lebt. Er ist durch sein Megatherium berühmt geworden und unternimmt mit seinem treuen Fritze zuweilen eine Reise in ferne Gegenden, um das Skelett eines Urmenschen zu entdecken. Nächstens wird er zu diesem Zwecke nach Sibirien gehen. Der Inka hat Tharandt besucht und ist Jäger geworden, in welchem Berufe ihn der nun uralte Anciano noch immer rüstig unterstützt. Engelhardt lebt als Rentier am schönen grünen Rhein, wo Anton mit seinem Bruder eine bedeutende Weinhandlung gegründet hat.
Alle diese Personen korrespondieren lebhaft und freundschaftlich mit einander, und keiner dieser Briefe wird geschrieben und gelesen, ohne daß wenigstens ein Teil seines Inhaltes sich auf die gemeinschaftlichen Erlebnisse bezieht, denn das Haupt- und Lieblingsthema ist und bleibt bei ihnen für alle Zeit
»Das Vermächtnis des Inka.«
DER OELPRINZ
Erstes Kapitel
Das Kleeblatt
Wer auf dem gewöhnlichen Wege von El Paso del Norte über den Rio Colorado nach Kalifornien hinüber wollte, der kam, bevor er Tucson, die Hauptstadt von Arizona erreichte, vorher nach der alten Mission San Xavier del Bac, welche ungefähr neun Meilen von Tucson entfernt liegt. Diese Mission wurde im Jahre 1668 gegründet und ist ein so prächtiges Bauwerk, daß es den Wanderer mit Staunen erfüllt, ein so glänzendes Monument der Zivilisation mitten in den Wildnissen von Arizona anzutreffen.
An jeder Ecke des Gebäudes erhebt sich ein hoher Glockenturm; die Front ist mit phantastischen Ornamenten reich verziert; die Hauptkapelle trägt eine große Kuppel und über den Mauern sind massive Simskränze und geschmackvolle Verzierungen angebracht. Dieses Bauwerk würde jeder großen Stadt, jeder Residenz zur Zierde gereichen.
Diese Mission ist zum Teil von einem Dorfe umgeben, in dem zur Zeit, in welcher unsre Erzählung spielt, Papago-Indianer in der Stärke von vielleicht dreihundert Seelen wohnten. Diese Papagos waren und sind noch heute ein friedfertiger, arbeitsamer und den Weißen wohlgesinnter Stamm, dessen Angehörige ihr Gebiet durch ein künstliches Bewässerungssystem wunderbar ergiebig gemacht haben und mit Weizen, Korn, Granaten, Kürbissen und andern Früchten und Lebensmitteln fleißig bebauen.
Leider hatten diese braven, arbeitsamen Menschen sehr viel von und unter dem weißen Gesindel zu leiden, welches sich Arizona zum Tummelplatze auserkoren hatte. Dieses ringsum von Gebirgen und Wüsten eingeschlossene Territorium besaß so gut wie gar keine Verwaltung; der Arm der Gerechtigkeit konnte nur schwer oder gar nicht über die Grenzen hereinreichen, und so zogen sich Hunderte und aber Hunderte, welche mit dem Gesetze zerfallen waren, aus Mexiko und den Staaten herein, um ein Leben zu führen, dessen Grundlage in der rohesten Gewaltthätigkeit bestand.
Zwar lag in der Hauptstadt Militär, welches die Aufgabe hatte, für die öffentliche Sicherheit zu sorgen; aber es waren nur zwei Kompagnien, also viel zu wenig für einen so weiten Bereich von gegen 300000 Quadratkilometer, und dazu standen die Verhältnisse so, daß diese Helden froh waren, wenn sie selbst von dem Gesindel in Ruhe gelassen wurden. Hilfe konnte von ihnen wohl
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