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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dem andern verließ, malten sich die Spitzberge der Sierra ab wie Thürme und phantastische Zinnen, deren Zacken ein graulicher Nebel bekränzte.
    Auf den Abdachungen der Sierra deuteten dichte Schatten tiefe Spalten an: Am Fuße des Gebirges erhob sich ein isolirter Felsen wie eine vorgeschobene Bastion; er war von der Masse der naheliegenden Berge vollständig getrennt. Hinter der Oberfläche seiner Spitze stürzte sich mit imposantem Brausen ein Wasserfall in einen bodenlos scheinenden Abgrund. Diesseits dieses isolirten Felsenstocks, welcher sich in Form eines abgestumpften Kegels erhob, zeigte eine bewegliche Linie von kleinen Weiden und Baumwollenbäumen entweder die Nähe eines laufenden Wassers oder die Einfassung eines Alluvialbodens an.
    Das von dem Rio Gila gebildete Delta war von der Spitze bis zur Basis nur wenig über eine Stunde lang, diese Basis aber hatte eine beinahe dreimal so große Ausdehnung.
    Die Dunkelheit wich dem Tage. Die Finsterniß stieg von den Bergzacken zur Tiefe herab und machte dem bläulichen Lichte des Morgens Platz. Wie aus der ersten verworrenen Anlage eines Gemäldes tauchten die Spitzen des Gebirges nach einander aus der düsteren Tinte der Morgendämmerung hervor.
    In die Schluchten der amphitheatralisch über einander aufgethürmten Bergkolosse drang nach und nach eine unbestimmte Helle. Auf der Oberfläche des isolirten Felsens dehnten zwei Fichten wie zwei sichtbar gewordene Phantome ihre gewaltigen Zweige aus und neigten sich über den Abgrund hin.
    Am Fuße dieser Bäume stand das Skelett eines Pferdes und zeigte auf seinen gebleichten Knochen noch die Zierrathen, welche es früher getragen hatte. Bruchstücke von einem Sattel umgaben seine all ihres Fleisches beraubten, durchsichtigen Flanken.
    Die aus der Dämmerung sich entwickelnde Morgenhelle beleuchtete unheimliche Embleme. Auf Pfosten, welche in gewissen Entfernungen angebracht waren, flatterten Menschenhaare im leichten Winde, Menschenschädel lagen in Haufen oder zerstreut am Boden, und die Bruchstücke von zerschlagenen Waffen aller Art waren in Menge zu finden. Diese Trophäen bildeten das Wahrzeichen, daß ein durch seine Heldenthaten berühmter Indianerhäuptling auf der Spitze der natürlichen Pyramide seine letzte Ruhestätte gefunden habe.
    Noch im Tode beherrschte der Häuptling die Ebenen, auf denen sein Kriegsgeschrei so oft erschallt war, und über   welche ihn das Schlachtpferd getragen hatte, dessen Gebeine nun auf seinem Grabmale von dem Thaue der Nächte und der glühenden Hitze des Tages gebleicht wurden. Raubvögel flogen krächzend über der einsamen Begräbnißstätte hin und her, gleich als ob ihre häßlichen Stimmen Den erwecken sollten, der für immer schlief und dessen Hand nie mehr die Keule schwingen, das Messer führen und die blutigen Festmahle bereiten konnte.
    Der den Nebelbergen gegenüber liegende Horizont erschien in blasser Beleuchtung; rosenfarbene Wölkchen stiegen gegen den Zenith empor. Aehnlich dem ersten Funken einer im Entstehen begriffenen Feuersbrunst, traf wie ein goldener Pfeil der erste Sonnenstrahl die Dünste der Sierra, und nun übergossen Lichtströme die Tiefen der Thäler wie mit einem schillernden und brillirenden Flammenteppiche.
    Der Tag war da, doch wurde die Hügelmasse noch von einem undurchdringlich scheinenden Nebelmantel verhüllt.
    Diese Nebel zertheilten sich nach und nach und wurden von dem Morgenwinde wie eine wallende Draperie emporgehoben. Dunstflocken blieben kapriziös an den Blättern der Gesträuche hangen oder hüpften von Gipfel zu Gipfel, ließen tiefe Engpässe sehen, an deren Eingange die Opfergaben, mit denen der indianische Aberglaube die Geister der Berge bedacht hatte, sich in großer Menge zeigten, und enthüllten dem Auge wilde Abgründe, in die sich schäumende Wasserfälle stürzten.
    Ueber dem Grabe des indianischen Häuptlings sandte die Kaskade einen feuchten Staub empor und bildete hinter den Gebeinen des Schlachtpferdes flüchtige, schillernde Regenbogen.
    Am Fuße der Pyramide, auf welcher sich das Grabmal befand, lag ein kleiner See mit stehendem Wasser, welches unter einer Vegetation von Wasserpflanzen kaum zu erkennen war. Zwischen diesem See und den gegenüber liegenden, steil abfallenden Felsen, die mit einem langfaserigen, grünen Pflanzenmantel bekleidet waren, dehnte sich eine enge, tiefe Schlucht, welche man aber nicht bemerken konnte, da sie dicht mit blaßblätterigen Weiden und offenschotigen Baumwollenbäumen

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