Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
eingefaßt wurde. Diese Bäume waren mit allerlei Schlinggewächsen durchwoben und durchzogen, als wolle die verschwiegene Natur das Menschenauge verhindern, durch die eng geschlossene Pflanzenwand einen Blick in die Schlucht zu werfen. Aber das Korn des Sandes, der eigenthümliche Glanz der umherliegenden Steine, sowie über haupt die ganze Bodenformation war sehr geeignet, einen erfahrenen Gambusino zur Aufmerksamkeit zu veranlassen.
    Diese Schlucht war das Goldthal, wie Marcos Arellanos den Ort getauft hatte, der ihm das Leben kostete. –
    Cuchillo war noch während der Nacht in der Nähe der Bonanza angekommen, da er aber fürchtete, sich in der Dunkelheit zu verirren, so hatte er Halt gemacht, um das Grauen des Morgens abzuwarten. Er hatte zwar die Konfiguration der Gegend nicht vergessen, doch sein von Habgier fieberhaft gehendes Herz trieb ihm das Blut sausend nach Ohren und Augen und raubte dem Gesichte seine sonst so untrügliche Schärfe.
    Trotzdem war es noch ziemlich dunkel, als er in der Nähe der sich über dem Goldthale erhebenden Pyramide ankam, und die feuchten Ausdünstungen verhüllten sowohl   die Schlucht als auch den steilen Hügel, auf welchem sich das indianische Grabmal befand, mit einem dichten Schleier.
    Das dumpfe Rauschen der Kaskade, dessen er sich noch recht gut erinnerte, war für ihn das Zeichen, daß er die Bonanza erreicht habe, denn er hatte nicht vergessen, daß sich der Wasserfall ganz in der Nähe des Placer in den Abgrund stürzte.
    Er war ziemlich sicher, daß niemand seine Flucht aus dem Lager bemerkt hatte, und glaubte auch nicht, daß ihm bei der bedrohlichen Stellung der Wilden Jemand folgen werde. Dennoch aber beschloß er, die Pyramide zu ersteigen, um zu sehen, ob sich vielleicht ein lebendes Wesen bemerken lasse.
    Vorher aber mußte er sich überzeugen, ob das Placer sich noch in demselben Zustande befinde wie vor zwei Jahren, als er es unberührt hatte liegen lassen müssen. Er zog mit den Händen den grünen Vorhang auseinander und warf einen Blick in die Schlucht. Zahlreich wie am Rande des Meeres lagen hier Kiesel von verschiedener Größe aufgehäuft, und es wären Tage erforderlich gewesen, sie zu zählen. Jeder andere Mensch, nur ein Goldsucher nicht, hätte sich durch das Aussehen dieser in die Schlucht geschwemmten Steine täuschen lassen, die in ihrem Aeußeren ganz den Vitrifikationen glichen, welche man am Fuße der Vulkane zu finden pflegt. Ein Gambusino jedoch mußte unter der unscheinbaren Thonhülle das gediegene Metall, das reine Jungferngold erkennen, wie es die Bäche von den Bergen in die Ebenen herabwälzen.
    Der Morgenstrahl drang durch die von Cuchillo in den Pflanzenvorhang gemachte Oeffnung in die Schlucht und ließ unzählige mysteriöse Blitze aus den Steinen   sprühen. Vor den Augen des vor Begierde zitternden Banditen lag der reichste Schatz ausgebreitet, den je ein Menschenauge in der Wildniß erblickt hatte, und er sah sich vollständig überzeugt, daß keine Hand nach ihm diesen Reichthum berührt habe.
    Er ließ die Schlinggewächse wieder fallen und schritt auf die Pyramide zu.
    Wenn der verschmachtende Araber sich langsam durch die glühenden Oeden der Sahara schleppt, ohne im ausgetrockneten Schlauche einen kühlenden Tropfen für seine brennenden Lippen zu finden; wenn ihn der Samum niederwirft, um ihm den letzten Rest von Lebensfeuchtigkeit aus dem Körper zu ziehen, wenn er dann, schon mit dem Tode ringend, grüne Palmenwedel und den Dunst der Oase am Horizonte bemerkt, so sind die Freude und der Jubel, welche ihn erfassen, dem Wahnsinne gleichzustellen.
    Aehnlich ging es Cuchillo mit dem Anblicke des goldenen Schatzes. Er erklomm die Pyramide wie im Delirium; seine Glieder zitterten, und vor seinen Augen lag es wie ein Nebel, welcher ihn verhinderte, scharfen Ausguck zu halten. Er mußte sich setzen.
    Er nahm eine Stellung ein, welche es ihm ermöglichte, das Goldthal fest im Auge zu behalten.
    »Und diesen Reichthum soll ich an Andere abtreten!« murmelte er vor sich hin. »Nein und tausendmal nein! Marcos Arellanos hat sterben müssen, warum sollen die Andern leben? Ihre Begleitung hat mich sicher an Ort und Stelle gebracht; ich bedarf ihrer nicht mehr und werde den Indianern Gelegenheit geben, sie Alle zu vernichten.«
    Er hielt die Hände über die Augen, nach deren Gesäßen   das aufgeregte Blut sich drängte, daß er die Empfindung hatte, als bewegten sich purpurne und feurige Räder vor seinem Gesichte. Es dauerte

Weitere Kostenlose Bücher