Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
schteht! Wenn Sie Ihre Tonleitern ooch nich fester in die Hände nehmen, so kann mich Ihre schöne Heldenoper dauern. Verschtehn Sie mich!«
    »Ich verstehe Sie, Verehrteste; aber Sie verstehen etwas nicht, nämlich mit einem Sohne der Musen höflich umzugehen. Ich habe Ihnen versprochen, seiner Zeit an Sie zu denken, und hegte wirklich die Absicht, Ihnen eine Sopranarie in den Mund zu legen; da Sie aber in dieser Weise von meiner Kunst sprechen, sehe ich davon ab. Sie werden nicht die Ehre haben, in meiner Oper zu erscheinen!«
    »Nich? I, was Sie nich sagen! Meenen Sie etwa, es liegt mir so sehr viel daran, off den Brettern zu erscheinen, die die Erde bedeuten? Das fällt mir gar nich ein. Und Sopran hab’ ich singen sollen? Hören Sie, damit lassen Sie mich in Ruh! Wenn ich singen will, da laß ich mir gar nischt vorschreiben, da singe ich, was ich will, Fagott, Klarinette oder Rumpelbaß, ganz was mir beliebt. Und nu sind wir miteinander für dieses Leben fertig. Leben Sie wohl! Adjes off Ewigkeet!«
    Sie wendete sich höchst aufgebracht von ihm ab. Er wollte noch eine Bemerkung machen, doch der Hobble-Frank forderte ihn schnell auf:
    »Pst! Schweigen Sie schtille! Es is mir ganz so, als ob ich een lebendiges Wesen da oben off der erschten Etage hätte huschen sehen. Wahrhaftig, da schleicht es wieder! Jetzt bleibt es schtehen und neigt den Kopp herab. Das is een Indianer, der jedenfalls eene Okularkonstruktion beabsichtigt, um zu sehen, wo wir schtecken. Er soll es gleich erfahren!«
    Er hob sein Gewehr, zielte kurz und drückte ab.
    »Uff!« rief eine erschrockene Stimme gleich nach dem Knalle des Schusses.
    Soeben kehrte Old Shatterhand mit Sam Hawkens zurück.
    »Was gibt es? Wer hat geschossen?« fragte er.
    »Ich,« antwortete Frank.
    »Warum?«
    »Das is eene Frage an das Schicksal, die ich gern beantworten will. Es schtand een roter Signor da oben off dem Dache Nummer eens; der wollte wahrscheinlich wissen, welche Zeit es is, und da habe ich ihm gezeigt, wieviel die Repitieruhr geschlagen hat, wenn er sich nich gleich off die Socken macht. Er hat sich ooch gleich kompetent zurückgezogen.«
    »Ist er getroffen worden?«
    »Nee; ich habe weiter rechts gezielt, vielleicht zwee Ellen weit; aber wenn er vier Fuß lange Ohren haben sollte, so is ihm die Kugel höchst wahrscheinlich durch das reche Läppchen gefahren, was ihm hoffentlich zur physharmonischen Warnung dienen wird.«
    »Also haben sie sich doch schon bis herunter auf die erste Terrasse getraut! Da müssen wir aufpassen. Wir halten uns natürlich in solcher Entfernung, daß sie uns nicht sehen können, denn sonst würden sie auf uns schießen. Aber sie müssen wissen, daß wir da sind und sie nicht herunterlassen. Darum mögen Frank und Droll hinschleichen und sich eng an der Mauer niederlegen. Wenn sie dann aufwärts gegen den Himmel blicken, können sie jeden Kopf sehen, der oben über der Kante erscheint, um herabzublicken. Dann rasch eine Kugel hinauf!«
    »Aber wohl ohne zu treffen?« fragte der Hobble.
    »Ja. Ich möchte kein Leben vernichten.«
    »Da werde ich mich hüten, meine schönen Kugeln in die Luft zu schießen! Ich schtecke lieber keene in den Lauf.«
    Da näherte Schi-Scho sich Old Shatterhand und bat in deutscher Sprache:
    »Herr, erlauben Sie mir, an dieser Bewachung des Pueblo teilzunehmen! Sechs Augen sind besser als nur vier.«
    »Das ist sehr richtig,« antwortete der Jäger, indem er den Jüngling, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte, forschend anblickte. »Sie scheinen aber noch sehr jung zu sein. Haben Sie gute Augen?«
    »Ja.«
    »Und aber auch Erfahrung?«
    »Ich bin der Schüler meines Vaters,« antwortete Schi-So in bescheidenem Tone.
    »Wer ist Ihr Vater?«
    »Nitsas-Ini, der Häuptling der Navajos.«
    »Was? Meines Freundes, des ›großen Donners‹? Dann wären Sie ja Schi-So, von dem ich weiß, daß er in Deutschland ist?«
    »Ich bin es.«
    »Dann hier meine Hand, junger Freund. Ich freue mich sehr, Sie hier zu treffen; sobald wir Zeit haben, sprechen wir weiter miteinander. Wäre es heller, so hätte ich Sie wohl erkannt. Da Sie Schi-So sind, so weiß ich, daß ich Ihren Wunsch getrost erfüllen darf. Gehen Sie also mit Frank und Droll und postieren Sie sich mit ihnen so weit auseinander, daß die ganze Länge der Plattform unter Beobachtung steht!«
    Der Häuptlingssohn entfernte sich, stolz darauf, seinen Wunsch erfüllt zu sehen. Eben, als er ging, kehrte Winnetou mit den Pferden zurück, welche in

Weitere Kostenlose Bücher