Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
holen. Wir werden euch auf eure Pferde binden, und ich rate euch, euch ja nicht etwa dagegen zu wehren, wenn ihr nicht unsre Messerklingen kosten wollt!«
Die »Kleeblätter« stiegen von ihren Pferden und machten sich über die vier Indianer her, welche so bestürzt waren, daß es ihnen gar nicht einfiel, Widerstand zu leisten, der ihnen doch nichts gefruchtet hätte. Sie wurden auf ihre Tiere gebunden, welche bis jetzt angepflockt gewesen waren, und dann trat man den Rückweg an, auf welchem kein Wort gesprochen wurde, bis man bei dem Pueblo angekommen war. Dort mußten die vier Roten absteigen und wurden unter scharfe Bewachung genommen. Sie mußten trotz der Dunkelheit bald bemerken, daß alle ihre Gefangenen, keinen einzigen ausgenommen, sich in Freiheit befanden. Ihr Grimm darüber läßt sich leicht denken.
Die Weißen, besonders die lebhafteren unter ihnen, hätten am liebsten die ganze Nacht durchplaudern mögen; aber Old Shatterhand gab das nicht zu. Er machte sie darauf aufmerksam, daß ihnen morgen ein jedenfalls scharfer und auch langer Ritt bevorstehe, und brachte sie soweit, daß sie, die sich stündlich ablösenden Wachen natürlich abgerechnet, sich zur Ruhe legten.
Die Nacht verging, ohne daß die Roten wagten, das Pueblo zu verlassen und einen Angriff zu versuchen. Als der Tag graute, sah man, daß sie sich auf die oberen Plattformen zurückgezogen hatten. Die Mehrzahl von ihnen schlief, wurde aber, sobald es nur einigermaßen hell geworden war, von den Wächtern, welche auch sie ausgestellt hatten, geweckt. Sie versammelten sich oben und warfen den Weißen, welche sich ebenso vom Schlafe erhoben hatten, drohende Reden herab. Daß ihr Häuptling sich als Gefangener bei diesen befand, konnten sie nicht erkennen.
Winnetou und Old Shatterhand waren entschlossen, sich auf keine langen Verhandlungen einzulassen. Man durfte keine Zeit verlieren, wenn es gelingen sollte, den Oelprinzen noch rechtzeitig einzuholen. Darum begaben sich beide zu Ka Maku, um mit ihm zu reden. Die andern bildeten einen Kreis um sie, um zuzuhören, oder, was diejenigen betraf, die das Gespräch nicht verstehen konnten, wenigstens zuzusehen. Da Winnetou sich lieber schweigend verhielt und nur dann zu sprechen pflegte, wenn es nicht unterlassen werden durfte, ergriff Old Shatterhand das Wort:
»Ka Maku sieht wohl, daß alle seine Gefangenen sich in Freiheit befinden?«
Der Häuptling antwortete nicht; darum ermahnte ihn der Westmann in drohendem Tone:
»Ich pflege nicht gern in den Wind zu reden. Du sollst so mild wie möglich behandelt werden. Antwortest du nicht, so hast du es nur dir zuzuschreiben, wenn wir nur die Rache gelten lassen. Beantworte also meine Frage!«
»Ich sehe, daß sie frei sind,« knurrte er ingrimmig.
»Und daß deine Krieger nun unsre Gefangenen sind?«
»Das sehe ich nicht.«
»Nicht? Kann einer von ihnen das Pueblo verlassen, wenn wir es nicht wollen? Wir brauchen nicht einmal zu dulden, daß sie auf den Dächern stehen. Unsre Gewehre tragen bis zur obersten Terrasse, und wir können sie alle zwingen, in das Innere der Stockwerke zu flüchten. Wo nehmen sie zu essen und zu trinken her? Sie dürfen nicht dorthin herab, wo der Brunnen ist und die Vorräte liegen. Außerdem haben wir dich und deine drei Gefährten fest. Was meinst du wohl, was wir mit euch vornehmen werden?«
»Nichts!«
»Ah, wirklich?«
»Ja, denn es ist keinem von euch ein Leid geschehen.«
»Das haben sie nicht euch, sondern Winnetou und mir zu verdanken. Ihr hattet es anders mit ihnen vor. Ich will es kurz mit dir machen. Es fehlen ihnen noch viele Sachen, welche sich im Pueblo befinden. Wenn ihnen alles, was verloren gegangen ist, ersetzt wird, geben wir euch frei und reiten fort; weigerst du dich aber dessen, so wirst du erschossen, und wir verbrennen deine Skalplocke, daß du in den ewigen Jagdgründen ohne sie erscheinen mußt. Ebenso wird es deinen drei Mitgefangenen ergehen. Entscheide dich! Sieh, eben jetzt geht die Sonne auf. Wenn sie eine Hand breit über dem Horizonte steht, will ich deine Antwort haben. Länger warte ich nicht. Ich habe gesprochen!«
Er stand auf und ging mit Winnetou fort, zum Zeichen, daß er kein weiteres Wort verlieren wolle. Ka Maku starrte finster vor sich hin. Er kannte die Humanität seiner Sieger und glaubte nicht, daß sie ihre Drohung wahr machen würden. Die ganze Beute hergeben, das schien ihm zu viel verlangt. Als die Sonne soweit, wie angegeben, vorgerückt war, kamen die beiden
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