Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
genügender Entfernung von dem Pueblo angepflockt wurden. Als dies geschehen war, fragte er Old Shatterhand:
»Ich hörte einen Schuß. Aus wessen Gewehr ist er gefallen?«
Der Gefragte sagte es ihm und fuhr dann fort:
»Die ledigen Pferde derer, die wir befreit haben, stehen dort im Corral; aber alles Gepäck und das ganze Sattel- und Zaumzeug ist verschwunden.«
»Muß sich im Pueblo befinden!«
»Ja. Wir können also nicht fort, sondern müssen hier bleiben, um die Herausgabe zu erzwingen.«
»Das ist nicht schwer, denn der Häuptling befindet sich in unsrer Hand.«
»Wohl. Wir müssen ihn holen. Will mein roter Bruder den Befehl hier übernehmen? Dann reite ich mit Hawkens, Parker und Stone fort, um Ka Maku herzuschaffen.«
»Mein Bruder mag gehen; er wird bei seiner Rückkehr hier alles in Ordnung finden.«
Die drei »Kleeblätter« waren gern einverstanden mit Old Shatterhand zu reiten. Sie gingen nach dem Corral, um ihre Tiere zu holen. Diese waren freilich ohne Zaum und Sattel, was aber den Reitern vollständig gleichgültig war. Sie schwangen sich auf und ritten in nördlicher Richtung davon. Es verstand sich ganz von selbst, daß Old Shatterhand sich nun unterwegs erkundigte, wie sie mit den Auswanderern zusammengetroffen und dann in die Gefangenschaft geraten seien. Sie hatten Zeit, es ihm ausführlich zu erzählen und von jedem der Beteiligten eine Charakterschilderung zu geben. Als er alles gehört hatte, sagte er, den Kopf leise schüttelnd:
»Sonderbare Menschen und höchst unvorsichtig dazu! Also ihr habt euch ihrer angenommen und wollt sie begleiten?«
»Ja,« antwortete Sam. »Sie bedürfen unser, und uns ist es ja ganz gleich, ob wir hierhin oder dorthin reiten. Was sagt Ihr dazu, Sir?«
»Hm! Ich wollte mit Winnetou über die Grenze, halte es aber für meine Pflicht, mich dieser Leute auch anzunehmen, zumal sie durch Gegenden wollen, wo sie ohne die Hilfe erfahrener Leute zu Grunde gehen müssen, da den Roten, auf die sie dort treffen müssen, nicht zu trauen ist. Da gilt es, wie es scheint, nachsichtig zu sein. Dieser emeritierte Kantor zum Beispiel kann gefährlich werden.«
»Ist er schon geworden. Am liebsten hätte ich ihn fortgejagt; aber das geht ja nicht. Und dann die Geschichte mit dem Oelprinzen. Was sagt Ihr dazu?«
»Schwindel!«
»Well, ist auch meine Meinung. Der Buchhalter ist ein Deutscher; darf man ihn ins Verderben laufen lassen?«
»Auf keinen Fall. Wir folgen diesem Grinley, der sehr wahrscheinlich auch noch andre Namen führt, und ich denke, daß wir ihn noch zur rechten Zeit einholen werden. Bin sehr neugierig, zu erfahren, auf welche Weise er das Oel aus der Erde gezaubert hat oder noch hervorzaubern will!«
Sie waren sehr schnell geritten und befanden sich jetzt nicht sehr weit mehr von der Stelle, an welcher der gefesselte Häuptling mit seinen Leuten zurückgelassen worden war.
Old Shatterhand erzählte ihnen, wie derselbe in seine und Winnetous Hände gefallen war, und fügte dann hinzu:
»Er hat alles geleugnet und verdient eine Strafe. Ich bin als ein Freund der Roten bekannt und lebe gern mit ihnen in Frieden, darum möchte ich mit Ka Maku so glimpflich wie möglich verfahren. Will sehen, ob er mir doch nicht vielleicht ein Eingeständnis macht. Wenn er euch sieht, merkt er sofort, wie die Sache steht; ich will also voranreiten; folgt mir langsam nach. Wenn ihr euch genau nördlich haltet, kommt ihr grad nach dem Felsen, hinter dem wir die Gefangenen zurückgelassen haben.«
Es war sehr dunkel, und ein andrer hätte sich in dieser ebenen Gegend, in welcher nichts als Anhalt und Merkmal diente, wohl kaum zurechtgefunden; Old Shatterhand aber durfte sich auf seinen Ortssinn verlassen und erreichte sein Ziel mit derselben Genauigkeit, als ob es nicht in dunkler Nacht, sondern am hellen Tage gewesen wäre.
Er war überzeugt, die vier Roten in der Lage anzutreffen, in welcher er sie verlassen hatte, dennoch aber mußte er vorsichtig sein. Sie konnten auf irgend eine Weise die Möglichkeit gefunden haben, sich frei zu machen, und nun auf ihn und Winnetou warten, um sich zu rächen. Darum stieg er in angemessener Entfernung von dem Pferde, pflockte dasselbe an und schlich sich zu Fuße nach dem Felsen hin. Als er so nahe an diesen gekommen war, daß er ihn sehen konnte, legte er sich nieder und kroch auf den Händen und Füßen weiter. Bald hatte er den hohen, breiten Stein links vor sich, machte einen kurzen Bogen und sah dann die Gefangenen liegen. Sie
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