Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
werden. Wie Sie schon aus unserem Plakat gesehen haben, können wir jeden brauchen. Wir müssen aber natürlich wissen, welchen Beruf er bisher ausgeübt hat, damit wir ihn an den richtigen Ort stellen können, wo er seine Kenntnisse verwerten kann.«
    >Es ist ja ein Theater<, dachte Karl zweifelnd und hörte sehr aufmerksam zu. »Wir haben daher«, fuhr der Personalchef fort, »in den Buchmacherbuden Aufnahmekanzleien eingerichtet, je eine Kanzlei für eine Berufsgruppe. Jeder von Ihnen wird mir also jetzt seinen Beruf angeben, die Familie gehört im allgemeinen zur Aufnahmekanzlei des Mannes. Ich werde Sie dann zu den Kanzleien führen, wo zuerst Ihre Papiere und dann Ihre Kenntnisse von Fachmännern überprüft werden sollen, es wird nur eine ganz kurze Prüfung sein, niemand muß sich fürchten. Dort werden Sie dann auch gleich aufgenommen werden und die weiteren Weisungen erhalten. Fangen wir also an. Hier, die erste Kanzlei, ist, wie schon die Aufschrift sagt, für Ingenieure bestimmt. Ist vielleicht ein Ingenieur unter Ihnen?« Karl meldete sich. Er glaubte, gerade weil er keine Papiere hatte, müsse er bestrebt sein, alle Formalitäten möglichst rasch durchzujagen, eine kleine Berechtigung, sich zu melden, hatte er auch, denn er hatte ja Ingenieur werden wollen. Aber als die Burschen sahen, daß Karl sich meldete, wurden sie neidisch und meldeten sich auch alle; alle meldeten sich. Der Personalchef streckte sich in die Höhe und sagte zu den Burschen: »Sie sind Ingenieure?« Da senkten sie alle langsam die Hände, Karl dagegen bestand auf seiner ersten Meldung. Der Personalchef sah ihn zwar ungläubig an, denn Karl schien ihm zu kläglich angezogen und auch zu jung, um Ingenieur sein zu können, aber er sagte doch nichts weiter, vielleicht aus Dankbarkeit, weil Karl ihm, wenigstens seiner Meinung nach, die Bewerber hereingeführt hatte. Er zeigte bloß einladend nach der Kanzlei, und Karl ging hin, während sich der Personalchef den anderen zuwandte.
    In der Kanzlei für Ingenieure saßen an den zwei Seiten eines rechtwinkeligen Pultes zwei Herren und verglichen zwei große Verzeichnisse, die vor ihnen lagen. Der eine las vor, der andere strich in seinem Verzeichnis die vorgelesenen Namen an. Als Karl grüßend vor sie hintrat, legten sie sofort die Verzeichnisse fort und nahmen andere große Bücher vor, die sie aufschlugen.
    Der eine, offenbar nur ein Schreiber, sagte: »Ich bitte um Ihre Legitimationspapiere.« »Ich habe sie leider nicht bei mir«, sagte Karl.
    »Er hat sie nicht bei sich«, sagte der Schreiber zu dem anderen Herrn und schrieb die Antwort gleich in sein Buch ein.
    »Sie sind Ingenieur?« fragte dann der andere, der der Leiter der Kanzlei zu sein schien. »Ich bin es noch nicht«, sagte Karl schnell, »aber -«
    »Genug«, sagte der Herr noch viel schneller, »dann gehören Sie nicht zu uns. Ich bitte, die Aufschrift zu beachten.« Karl biß die Zähne zusammen, der Herr mußte es bemerkt haben, denn er sagte: »Es ist kein Grund zur Unruhe. Wir können alle brauchen.« Und er winkte einem der Diener, die beschäftigungslos zwischen den Barrieren umhergingen: »Führen Sie diesen Herrn zu der Kanzlei für Leute mit technischen Kenntnissen.«
    Der Diener faßte den Befehl wörtlich auf und faßte Karl bei der Hand. Sie gingen zwischen vielen Buden durch, in einer sah Karl schon einen der Burschen, der schon aufgenommen war und den Herren dort dankend die Hand drückte. In der Kanzlei, in die Karl jetzt gebracht wurde, war, wie Karl vorausgesehen hatte, der Vorgang ähnlich wie in der ersten Kanzlei. Nur schickte man ihn von hier, da man hörte, daß er eine Mittelschule besucht hatte, in die Kanzlei für gewesene Mittelschüler. Als Karl dort aber sagte, er hätte eine europäische Mittelschule besucht, erklärte man sich auch dort für unzuständig und ließ ihn in die Kanzlei für europäische Mittelschüler führen. Es war eine Bude am äußeren Rand, nicht nur kleiner, sondern sogar niedriger als alle anderen. Der Diener, der ihn hierhergebracht hatte, war wütend über die lange Führung und die vielen Abweisungen, an denen seiner Meinung nach Karl allein die Schuld tragen müßte. Er wartete nicht mehr die Fragen ab, sondern lief gleich fort. Diese Kanzlei war wohl auch die letzte Zuflucht. Als Karl den Kanzleileiter erblickte, erschrak er fast über die Ähnlichkeit, die dieser mit einem Professor hatte, der wahrscheinlich noch jetzt an der Realschule zu Hause unterrichtete. Die

Weitere Kostenlose Bücher