Sagen aus Franken
Ecke deines Gartens steht, so viel Nüsse, als dir beliebt; diese werden sich in Gold verwandeln und dich instand setzen, nicht nur deine Schulden zu bezahlen, sondern auch ohne Mühe und Arbeit gut leben zu können. Doch wisse, geht nur ein Wort von meinem Angebot über deine Lippen, so sinkst du in deine frühere Armut zurück, wirst ein Raub der Verzweiflung und sollst auch im Grab keine Ruhe finden. Du mußt dann in jeder Silvesternacht deinem Grabe entsteigen und hier an dieser Stelle goldene Nüsse feil halten; ja, du wirst auch andere noch mit ins Verderben hinabziehen, und deine Seele ist mir verfallen.«
Mit diesen Worten verschwand die geheimnisvolle Erscheinung.
Daß der freundliche Helfer der leibhaftige Gottseibeiuns war, ist leicht zu erraten.
Kaspar war demnach in sehr schlimme Hände gefallen. Er taumelte noch halb trunken mit schlotternden Knien nach Hause. Sein Weib, das ohnehin zur Sorte jener Menschen gehörte, denen Zanken und Murren zur zweiten Natur geworden ist, empfing ihn vom Bett aus mit heftigen Scheltworten. Er aber blieb ruhig und dachte: »Schrei nur, du Zankteufel, soviel du willst; habe ich einmal die goldenen Nüsse, dann wirst du schon anders singen!« Damit nahm er eine Laterne, zündete das Licht an und schlich in den Garten hinaus. Hier stellte er sich vor den bezeichneten Baum und schielte hinauf, um zu sehen, ob die Nüsse wirklich von Gold seien. Endlich bestieg er zagend den Baum, griff zitternd nach einer der Früchte, füllte dann so schnell als möglich alle Taschen damit, und siehe, die Nüsse waren reines, funkelndes Gold. Darauf versteckte er seinen Schatz in der Scheune und ging zu Bett.
Bei Tagesanbruch stahl sich der steinreiche Ehemann, dessen Gewissen nun schon eingeschläfert war, still weg zum Geschenke des höllischen Jägers, um es teilweise in der nahen Stadt in Geld umzusetzen. Sodann zahlte er seine Schulden und lebte herrlich und in Freuden.
Aber dieses Glück sollte nicht lange dauern; denn der gute Nußkaspar vergaß im Taumel der Ausschweifungen nur zu bald, was er dem Teufel versprochen hatte. In einem traulichen Stündchen beichtete er seiner Frau, die sich durch den unvermuteten Wohlstand vollständig mit ihm ausgesöhnt hatte, den ganzen Hergang der Sache. Als er aber am nächsten Morgen sein Geld herbeiholen wollte, da war der Beutel federleicht und enthielt statt harter Taler nur Kohlenstaub, und anstatt der goldenen fanden sich nur natürliche und größtenteils wurmstichige Nüsse im Schrank. So von der Höhe des Glückes in das bitterste Elend hinabgeschleudert, wurde dem Kaspar das Leben eine unerträgliche Last.
Der Teufel hielt besser Wort als Kaspar; denn es ging alles in Erfüllung, was er für den Fall des Wortbruches vorausgesagt hatte. Als der Silvesterabend wieder anbrach, stand wirklich zur Mitternachtszeit ein kleines Bäuerlein in der Tracht der Knoblauchhändler mit einem Korb am Ölberg und ächzte unter verzweifeltem Händeringen: »Kauft Nüsse, kauft Nüsse!«
Viele Jahre nach diesem Ereignis saßen am Silvesterabend mehrere Bürger nicht weit vom Ölberg im Gasthaus zum Burggrafen bei einem Krug Weizenbier. Unter diesen war auch ein redseliger Zinngießermeister, der wegen seiner Klugheit in großem Ansehen stand. Die Unterhaltung drehte sich um die alte Sage vom Nußkaspar am Ölberg. »Aberglaube, heidnische Finsternis!« eiferte Meister Zinngießer, der Wortführer. »Wer wird so albern sein, an Teufel und Geister zu glauben?«
»Was, Nachbar?« fiel ihm ein belesener Zirkelschmied in die Rede, »habt Ihr denn nicht gelesen, daß Doktor Martin Luther dem Teufel das Tintenfaß nachgeworfen hat? Ist Euch nicht bekannt, daß der Satan Jesum in Versuchung führte?«
»Das ist etwas anderes,« unterbrach ihn der Zinngießer, und gerade als er weiterreden wollte, erscholl von der Wanduhr die zwölfte Stunde. Da schlug der Meister unwillig auf den Tisch und schrie: »Damit ihr aber seht, daß an der ganzen Sache nichts ist und jeder ein Narr, der so unsinnige Dinge glaubt, so wollen wir auf den Ölberg gehen, um uns zu überzeugen, ob der Nußkaspar wirklich seine Nüsse feilhält. Mein Hab und Gut setz, ich daran, daß ich euch auslachen werde.«
Hierauf nahm er seine Pelzmütze und eilte der Türe zu; doch von den übrigen Gästen hatte keiner Lust, ihn zu begleiten. Stockfinster war's, und nur der schimmernde Schnee erleuchtete die Umgebung. Da kam es dem Zinngießer wirklich so vor, als ob er in der Nähe des
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