Sagen aus Franken
Ölberges die Gestalt eines Menschen wahrnehme, und er blieb stehen. Es fröstelte ihn, aber die Vorstellung, von den Freunden verspottet zu werden, wenn er unverrichteter Dinge zurückkäme, flößte ihm Mut ein; er wollte der Sache auf den Grund gehen.
Also schritt der Zinngießer langsam näher und rief mit lauter Stimme: »Wer da?« – Keine Antwort! – Plötzlich stand ein kleines unheimliches Wesen ganz nahe vor ihm, stierte ihn mit Grabesaugen an und deutete mit dem Zeigefinger der rechten Hand in den vor ihm stehenden Korb. Unser Zinngießer stand wie an den Boden gewurzelt und kreischte mit kaum verständlichen Lauten : »Alle guten Geister loben Gott den Herrn!« Fast besinnungslos griff er sodann in den Korb, nahm daraus, was er mit seinen zehn Fingern fassen konnte, und stürzte ohnmächtig zusammen.
Als er wieder zur Besinnung gekommen war, blickte er um sich.
Aber er sah kein Wesen mehr, weder vor noch hinter sich. Jetzt faßte er wieder Mut und schämte sich seines Schreckens. Doch welches Erstaunen trat an die Stelle der Furcht, als er auf den schneebedeckten Boden blickte und ihm glänzendes Gold entgegenfunkelte! Schnell raffte er die goldenen Dinger zusammen und eilte dem Burggrafen zu. Die Gesellschaft begrüßte ihn, als wäre er von den Toten auferstanden, und war sehr gespannt zu hören, was er erlebt habe. Und der Meister erzählte sein Abenteuer, indem er zum Beweis einige goldene Nüsse aus der Tasche nahm und auf den Tisch hinrollte.
Da war auf einmal alle Großsprecherei verstummt; denn nicht ohne heimliches Grauen sah man die glänzenden Beweise vor Augen. Der Zinngießer aber entfernte sich bald und suchte freudetrunken sein Nachtlager auf. Allein der Schlaf floh ihn diese und noch manch andere Nacht; denn ihn quälten Zukunftspläne und die Sorge um die Vermehrung des unheilvollen Geldes. Mit seinem Glück war zugleich das Unglück in seine vier Wände eingezogen. Aus dem zufriedenen Meister war ein griesgrämiger Sauertopf geworden. Durch unkluge Unternehmungen verlor er manches schöne Kapital, und nach wenigen Jahren bewahrheitete sich an ihm das Sprichwort: Wie gewonnen, so zerronnen. Doch als er immer ärmer wurde, machte die Not seinem jammervollen Leben ein Ende.
Und es erfüllte sich des Teufels Vorhersage, der Nußkaspar werde auch noch andere mit ins Verderben ziehen.
Der Pudel am Tiergärtnertor
Es war mitten in der Nacht. Ganz Nürnberg schlief. Nur die Bäcker waren wach und fleissig bei ihrem Geschäft. In der Bäckerei am Tiergärtnertor war ein Geselle mit dem Lehr jungen dabei, den Teig zu kneten für die Feiertagswecken. Dabei wurde es dem Gesellen heiß, und er schickte den Lehrbuben hinaus in die Nacht zum Brunnen, daß er ihm ein Krüglein Wasser hole.
Der Bub nahm den Pudel mit, damit doch jemand bei ihm war in der stockfinsteren Nacht
Wie der Lehrbub aus der Tür ging, sprang der Pudel über den Platz am Tiergärtnertor voraus. Drüben plätscherte der Brunnen. Langsam ging der Lehrbub hinüber, stelle seinen Krug unter das Brunnenrohr, und als er voll war, nahm er ihn und wollte zurückkehren. Aber der Pudel war verschwunden. Der Lehrbub pfiff, doch der Hund kam nicht zurück; wie von weitem hörte man nur sein Bellen; aber das war nicht mehr auf dem Platz! Das Bellen klang ganz hohl, wie wenn der Pudel ins Tiergärtnertor hineingelaufen wäre. Aber das Tor war doch die ganze Nacht fest verschlossen. Da konnte doch kein Hund hinein! Das dumpfe Bellen klang wieder. Der Lehrbub ging hin und sah, dass das Tor offen war! Schnell lief er in seine Backstube und erzählte, dass das Tiergärtnertor offen sei. Der Geselle ging mit. Sie gingen in das Tor und in den langen Gang hinein mid suchten den Hund. Der knurrte und bellte und heulte. Als sie zu ihm hinkamen, fanden sie daß er einen Mann an seinen Kleidern festhielt. Der Geselle und der Lehrbub packten den Mann und zogen ihn durch den Gang rückwärts durchs Tor auf den Platz. Sie riefen die Wache und erzählten, wo sie ihn gefunden hatten. Und als sie mit der Laterne ihm ins Gesicht leuchteten war das der Losunger Anton Tetzel! Einer der reichsten und vornehmsten Ratsherrn der Stadt!
Der Bürgermeister wurde geweckt; der Rat zusammengerufen. Da gestand der gefangene Ratsherr, daß er mit dem Ansbacher Markgrafen ausgemacht habe, in der Nacht heimlich das Tiergärtnertor zu öffnen und die feindlichen Kriegsknechte einzulassen. Der Pudel war ihm nachgelaufen als er eben von dem inneren Tor durch den
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