Sagen aus Hessen
Helmarshausen
In uralter Zeit stand auf einem Berg hoch überm Diemelstrom ein Städtchen: Alten Köllen genannt. Drunten aber am Ufer baute ein Fischer namens Elmeri sich bequem zu seinem Gewerbe an. Er war ein freundlich-biederer Mann; ihn besuchten daher bisweilen die Bewohner des Städtchens, ließen sich beköstigen mit gerösteten Fischen und Met; und da bescheiden der gute Elmeri stets nur geringe Vergütung annahm, so kam seine Wirtschaft zu fröhlichem Gedeihen, und die Städter schmausten, tanzten und vergnügten sich je länger je öfter.
Das reizte manchen, es dem glücklichen Elmeri nachzutun; und sieben Männer kamen nacheinander, bauten Fischerhütten neben ihm an, kamen in Frieden, Freiheit, Ordnung gleichfalls zu Wohlstand, so daß die kleine Pflanzung trefflich ihren Anbau erweitern konnte.
Da geschah, daß schwerer Krieg hereinbrach, Haufen der Feinde stürmten durchs Land, und da die reisigen Männer fern beim Heer waren, so durften die Feinde ungeschoren sengen und brennen. So fiel auch Alten Köllen in Schutt und Asche; Greise, Weiber und Kinder suchten Obdach und Unterhalt bei den mildtätigen Fischern drunten am Fluß. Da nun aber die Männer aus dem Krieg heimkehrten und fanden die Ihrigen in der Pflege Elmeris und der andern Fischer, da beschlossen sie, hier ebenfalls zu bauen und zu wohnen.
Und aus den Trümmern Alten Köllens schafften sie Steine und Gebälk herab; bauten und nannten den Ort nach dem ersten Urheber: Elmeri.
Fräulein von Boyneburg
Auf eine Zeit lebten auf der Boyneburg drei Fräulein zusammen. Der jüngsten träumte in einer Nacht, es sei in Gottes Rat beschlossen, daß eine von ihnen im Wetter sollte erschlagen werden. Morgens sagte sie ihren Schwestern den Traum und als es Mittag war, stiegen schon Wolken auf, die immer größer und schwärzer wurden, also daß abends ein schweres Gewitter am Himmel hinzog und ihn bald ganz zudeckte und der Donner immer näher herbei kam. Als nun das Feuer von allen Seiten herabfiel, sagte die älteste: »Ich will Gottes Willen gehorchen, denn mir ist der Tod bestimmt«, ließ sich einen Stuhl hinaustragen, saß draußen einen Tag und eine Nacht und erwartete, daß der Blitz sie träfe. Aber es traf sie keiner; da stieg am zweiten Tage die zweite herab und sprach: »Ich will Gottes Willen gehorchen, denn mir ist der Tod bestimmt«; und saß den zweiten Tag und die zweite Nacht, die Blitze versehrten sie auch nicht, aber das Wetter wollte nicht fortziehen. Da sprach die dritte am dritten Tage: »Nun seh ich Gottes Willen: daß ich sterben soll«, da ließ sie den Pfarrer holen, der ihr das Abendmahl reichen mußte, dann machte sie auch ihr Testament und stiftete, daß an ihrem Todestage die ganze Gemeinde gespeist und beschenkt werden sollte. Nachdem das geschehen war, ging sie getrost hinunter und setzte sich nieder und nach wenigen Augenblicken fuhr auch ein Blitz auf sie herab und tötete sie.
Hernach als das Schloß nicht mehr bewohnt war, ist sie oft als ein guter Geist gesehen worden. Ein armer Schäfer, der all sein Hab und Gut verloren hatte und dem am andern Tage sein letztes sollte ausgepfändet werden, weidete an der Boyneburg, da sah er im Sonnenschein an der Schloßtüre eine schneeweiße Jungfrau sitzen. Sie hatte ein weißes Tuch ausgebreitet, darauf lagen Knotten, die sollten in der Sonne aufklinken. Der Schäfer verwunderte sich, an dem einsamen Ort eine Jungfrau zu finden, trat zu ihr hin und sprach: »Ei was schöne Knotten!« nahm ein paar in die Hand, besah sie und legte sie wieder hin. Sie sah ihn freundlich und doch traurig an, antwortete aber nichts, da ward dem Schäfer angst, daß er fort ging, ohne sich umzusehen und die Herde nach Haus trieb. Es waren ihm aber ein paar Knotten, als er darin gestanden, neben in die Schuhe gefallen, die drückten ihn auf dem Heimweg, da setzte er sich, zog den Schuh ab und wollte sie herauswerfen, wie er hineingriff, so fielen ihm fünf oder sechs Goldkörner in die Hand. Der Schäfer eilte zur Boyneburg zurück, aber die weiße Jungfrau war samt den Knotten verschwunden; doch konnte er sich mit dem Golde schuldenfrei machen und seinen Haushalt wieder einrichten.
Viele Schätze sollen in den Burg noch verborgen liegen. Ein Mann war glücklich und sah in der Mauer ein Schubfach; als er es aufzog, war es ganz voll Gold. Eine Witwe hatte nur eine Kuh und Ziege und weil an der Boyneburg schöne Heiternesseln wachsen, wollte sie davon zum Futter abschneiden, wie sie aber eben
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