Sagen aus Hessen
nicht um weniger als einen Weißpfennig hingeben, und ihm also gehorchen, bis er ihm weiteres sagen würde.
Der Junge hat also das Korn um vier Albus verkauft, diese in seinen Beutel getan, und sich wiederum nach Hause gewandt. Da ist ihm jener Mann an der gleichen Stätte wieder begegnet, und hat vom Jungen vernommen, daß er ihm gehorsam gewesen sei. Hat dann den Jungen geheißen, unter seinem linken Arm durchzusehen; da hat er viele Spieße und blutige Degen gesehen. Darauf geheißen, unterm rechten Arm durchzugucken, hat er viel Totengebein und Schädel erblickt. Nun hat der Mann geweissagt, es solle ein arges Blutvergießen und solches Sterben geschehen als es noch nie zuvor war.
Dann hat jener noch in des Jungen Geldbeutel geblasen, viel Geld beschert und geboten, er solle alles so seinem Herrn sagen und das Geld bringen. Der Junge ist an drittem Tag danach gestorben.
Bonifatius rettet Fritzlar
Im Siebenjährigen Krieg lagen einmal die Franzosen in Fritzlar. Da erschien der Feind vor der Stadt und beschoß sie sehr heftig. Alle Bürger klagten und jammerten laut. Plötzlich aber hieß es, Bonifatius sei wiedergekommen, um seine Stadt aus ihrer Bedrängnis zu retten. Alle strömten dem Haddamarer Tor zu und sahen dort den Heiligen auf der Mauer stehen. Er hielt ein großes weißes Tuch in den Händen und fing damit die Kugeln der Feinde auf. Die Kugeln prallten auf die Feinde zurück und töteten sie. Von der Stadt her wurde aber auch nicht eine Muskete abgeschossen. Da ergriff die feindlichen Krieger Angst und Schrecken, und sie machten, daß sie fortkamen. Alsbald war auch Bonifatius wieder von der Mauer verschwunden.
Braunfels
Als Graf Heinrich von Gleiberg einst in Unfrieden von seinem Bruder geschieden war, ritt er über Land, eine Stätte für eine neue Burg zu suchen. Da kam er an einem Schäfer vorbei, der mit seiner Herde unter einem großen Baume lagerte. Der Graf hielt sein Pferd an und sprach:
»Sage mir, Mann, wo soll ich hier wohnen?« Der Schäfer sagte: »Dort auf dem braunen Felsen schlagt Eure Burg auf!« Der Graf tat nach dem Rate des Schäfers, und so entstand Braunfels.
Das Bubenried
In der großbieberauer Gemarkung liegt ein Tal gegen Überau zu, das nennen die Leute das Bubenried und gehen nicht bei nächtlicher Weile dadurch, ohne daß ihnen die Hühnerhaut ankommt. Vor Zeiten, als Krieg und Hungersnot im Reich war, gingen zwei Bettelbuben von Überau zurück, die hatten sich immer zu einander gehalten und in dem Tal pflegten sie immer ihr Almosen zu teilen. Sie hatten heute nur ein paar Blechpfennige gekriegt, aber dem einen hatte der reiche Schulz ein Armenlaibchen geschenkt, das könne er mit seinem Gesellen teilen. Wie nun alles andere redlich geteilt war und der Bub das Brot aus dem Schubsack zog, roch es ihm so lieblich in die Nase, daß er's für sich allein behalten und dem andern nichts davon geben wollte. Da nahm der Friede sein Ende, sie zankten sich und von den Worten kams zum Raufen und Balgen, und als keiner den andern zwingen konnte, riß sich jeder einen Pfahl aus dem Pferch. Der böse Feind führte ihnen die Kolben und jeder Bub schlug den andern tot.
Drei Nächte lang nach dem Mord regte sich kein Blatt und sang kein Vogel im Ried, und seitdem ists da ungeheuer und man hört die Buben wimmern und winseln.
Das durstende Heer
Einst war Karl mit seinem Heer in die Gebirge der Gudensberger Landschaft eingerückt, siegreich, wie einige erzählen, nach andern fliehend. Die Krieger schmachteten vor Durst. Der König saß auf schneeweißem Schimmel; da spornte er sein Pferd, daß es mit dem Huf heftig auf den Boden trat und einen Stein aus dem Felsen schlug, in welchem die Spuren seines Trittes zurückblieben. Aus der Öffnung sprudelte die Quelle mächtig, das ganze Heer wurde getränkt. Das Wasser dieser Quelle, welche Glißborn heißt und an der Morgenseite des Odenbergs liegt, ist hell und eisig kalt und besitzt die Eigenschaft, daß es ohne Seife reinwäscht; aus stundenweiter Entfernung, aus Besse und anderen Orten, kommen die Weiber dahin, ihr Weißzeug zu waschen. – Der Stein mit dem Huftritt ist in die Gudensberger Kirchhofsmauer eingesetzt und noch heute zu sehen.
Das Irrkraut
Es gibt ein Kräutchen, das sieht der nicht, der drauf tappt, man heißt's das Irrkraut. Sobald es der Fuß berührt, verliert man alle Richtung des Weges und geht blindlings fort, ohne jemand zu kennen, wie wenn man im Traum wandelte. So kam einmal ein Rixfelder Mann in der
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