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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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freudig den bebuschten Helm des Messapus aufs Haupt, den er bei den vordersten Wachtfeuern aufgelesen und der ihm gerade paßte. Darauf verließen sie das feindliche Lager und gewannen das Freie.
    Aber um dieselbe Zeit zogen aus der Latinerstadt dreihundert Reiter mit Schilden unter ihrem Führer Volscens, welche dem Fürsten Turnus Botschaft vom Könige zu bringen hatten, dieser Straße. Sie waren schon ganz nahe am Lagerwall, als sie von ferne die beiden eilenden Gestalten bemerkten und im dämmernden Frührote den unbesorgten Euryalus der erbeutete Helm mit seinem tückischen Schimmer verriet. »Halt! Ihr seid in Waffen!« schrie Volscens bei diesem Anblicke, »wo eilet ihr hin?« Jene antworteten nicht, sondern flüchteten sich in den Wald und vertrauten auf die Dämmerung. Aber die Reiter, der Nebenwege kundig, warfen sich in das Gehölz und versperrten alle Ausgänge mit Wachen. Der Wald war mit dichten Eichen und wilden Gesträuchen bewachsen, und kaum sichtbar schimmerte der Fußpfad durch das Dikkicht. Den Euryalus hemmte die Beute, und die Furcht täuschte ihn über die Richtung des Weges.
    Nisus aber entkam glücklich aus dem Wald und eilte schon sorglos auf den See zu, der später den Namen Albanersee erhielt. Jetzt erst stand er stille und sah sich vergebens nach dem fehlenden Freunde um.
    »Euryalus«, rief er wehklagend, »wo bist du, Armer, wo find ich dich?« Und nun warf er sich aufs neue in den verworrenen Wald. Dort vernahm er bald Rossegestampf, Lärm und die Trompeten der Nachhut; und es währte nicht lange, so ward er das ganze Reitergeschwader ansichtig, das den übermannten Euryalus mit sich fortschleppte. Was sollte er tun? Welche Hoffnung war, den armen Jüngling zu befreien? Sollte er sie aufgeben und sich den Tod in den starrenden Schwertern suchen? Er hielt inne, dann drehte er mit zurückgebogenem Arme plötzlich den Speer empor, und zum Mond aufblickend, der blaß am
    morgendlichen Himmel stand, betete er: »Luna, Beschützerin der Wälder, Latonas Tochter, wenn dir je mein Vater für mich geopfert, wenn ich selbst je dir meine Jagdbeute geweiht, lenke meinen Speer und laß diese Rotte mich zerstreuen!« So sprach er und schleuderte mit Leibeskraft seine Lanze. Diese drang dem abgekehrten Rutuler Sulmo in den Rücken und zur Brust heraus, daß er sich zuckend auf dem Boden wälzte.
    Erschrocken schauten sich die Reiter in der Runde um. Da flog das zweite Geschoß des Nisus und durchbohrte einem andern Rutuler, dem Tagus, knirschend beide Schläfen. Volscens, der Anführer der Reiter, geriet in Wut, denn nirgends erblickte er den Speerschwinger; grimmig rief er: »So bezahle denn du mir mit deinem Blute für beide!«und ging mit entblößtem Schwerte auf den Euryalus los. Vor Entsetzen schreiend, brach Nisus jetzt aus seinem Verstecke hervor. »Ich bin der Täter«, rief er, »auf mich nur richtet eure Schwerter; der ganze Betrug rührt von mir her! Ich schwör es euch, dieser ist unschuldig; nur Liebe zum unglücklichen Freund war sein Vergehen!« Sein Rufen kam zu spät; Volscens hatte dem Knaben schon das 364
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Schwert durch die Brust gestoßen, dieser wälzte sich im Tode, die schönen Glieder überströmte das Blut, und sein Hals neigte sich auf die Schultern, wie eine purpurne Blume, vom Pfluge durchschnitten, dahinsinkt, wie ein blühender Mohnstengel sein vom Regen belastetes Haupt zur Erde neigt. Da warf sich Nisus in den Feind, stieß den Andrang der Reiter rechts und links zurück, ging gerade auf den Führer Volscens los und bohrte sein blitzendes Schwert in des schreienden Feindes Mund, daß er sterbend vom Rosse fiel. Dann warf er sich über den Leib seines getöteten Freundes und ruhte, ganz von den Geschossen der Reiter durchbohrt, über dem Leichnam im Frieden des Todes.
    Die Reiterschar zog den erschlagenen Feinden die Rüstung ab, trug ihre Leichname mit dem ihres Anführers Volscens in das Lager des Turnus, und bald mußten die Trojaner von den Türmen ihres Lagers herab mit Grausen die von schwarzem Blute noch triefenden gespießten Köpfe der beiden Jünglinge schauen, die sie mit so zuversichtlichen Hoffnungen entlassen hatten. Die Kunde des Unglücks verschonte auch die Mutter des Euryalus nicht. Sie wurde von ihr am Webestuhl über der Tagesarbeit getroffen. Da entrollte das Schifflein ihren Händen, sie zerraufte sich das Haar, sie rannte nach dem Walle in die vordersten Reihen der Streiter, keine Gefahr

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