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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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1
     
Was hat man in Virginia für Pferde gezüchtet,
An die man sich erinnerte nach ihrem Tod,
Die man begrub nicht weit vom Friedhof bei der Kirche,
Daß wenn die Reiter sich erhöben aus dem Schlaf,
Niemand und nichts sie wieder von der Erde hexte,
Auf der sie spurlos ritten durch das Gras
Mit altem Schneid und müheloser Hand wie einst.
    Stephen Vincent Benet
     
    TRAVELLER STARB AN WUNDSTARRKRAMPF, zwei Jahre nach dem Tod von Robert E. Lee. Ich schlug das eines Februartages nach, an dem Tag, als ich loszog, um herauszufinden, wo Abraham Lincolns Sohn Willie begraben lag. Ich hatte über ein Jahr nach dem Grab gesucht, und als ich es schließlich in einer Biographie von Mary Todd Lincoln erwähnt fand, rannte ich aus der Bibliothek, das Buch noch in der Hand. Ich löste einen Alarm aus, und eine der Bibliothekarinnen kam auf die Treppe hinaus und rief mir hinterher: »Jeff, alles in Ordnung mit dir? Jeff!«
    Es schneite heftig an jenem Tag, feuchten Frühlingsschnee. Ich brauchte fast eine Stunde, um zu dem alten Friedhof in Georgetown hinauszufahren. Ich weiß nicht, was ich zu finden hoffte, vielleicht einen Hinweis darauf, wo Annie war und was mit ihr passiert war, irgendeine Botschaft, die mir erklärte, was mit ihnen allen passiert war, mit Tom Tita und Ben und den anderen Soldaten, die im Bürgerkrieg ihr Leben gelassen hatten und unter Granitplatten begraben lagen, nicht größer als ein Fetzen Papier.
    Aber es gab dort nichts, nicht einmal Willie Lincolns Gebeine, und ich fuhr zu Brouns Haus zurück und holte Freemans vierbändige Biographie von Lee hervor und versuchte herauszufinden, was mit Traveller geschehen war.
    So wie bei allen anderen Vorfällen, die sich ereignet hatten, gab es einerseits zu viele Hinweise, und auch wieder nicht genug. Aber endlich fand ich, was ich wissen wollte, auf die gleiche Weise, wie ich Willies Aufenthalt entdeckt und wie ich herausgefunden hatte, was Annie träumen ließ. Denn war das Nachschlagen ungeklärter Sachverhalte etwa nicht meine Stärke? Traveller war zwei Jahre alt geworden. Er war in einen Nagel getreten und hatte Wundstarrkrampf bekommen. Man mußte ihn erschießen.
    Ich lernte Annie vor zwei Jahren kennen, an dem Abend von Brouns Presseempfang. Der Empfang sollte eine vorgezogene Party anläßlich der Veröffentlichung seines zwölften Romans, Die Bürde der Pflicht, sein, mit einem Stapel Druckfahnen, die der Presse überreicht werden sollten, aber die gab es nicht. Es gab noch nicht einmal ein fertiggeschriebenes Buch.
    Der Presseempfang war für die letzte Märzwoche festgesetzt worden, aber Ende Februar bastelte Broun immer noch an dem lektorierten Manuskript herum, brachte Änderungen an und veränderte die Änderungen wieder, und eine Woche vor dem Empfang war ich wieder in West Virginia und versuchte herauszufinden, wo genau Lee Traveller gekauft hatte.
    Dieses Detail war für das Buch in keiner Weise von Bedeutung, denn unzweifelhaft hatte Lee bei Antietam im September 1892 Traveller geritten, aber das war genau die Art Probleme, um die Broun das ganze Buch über eine Menge Wirbel veranstaltet hatte, und ich war besorgt.
    Er hatte jede Menge Probleme mit Die Bürde der Pflicht. Für gewöhnlich brachte er seine Bürgerkriegsgeschichten pünktlich wie ein Uhrwerk heraus, von der Idee über die Skizze bis zum Manuskript und den korrigierten Fahnen, was der Grund dafür war, daß seine Verleger, McLaws und Herndon, vorgegriffen und den Empfang anberaumt hatten, bevor sie das lektorierte Manuskript wieder zurück hatten.
    Ich hätte es ebenso gemacht. Während der vier Jahre, während der ich für Broun recherchiert hatte, hatte er nie einen Termin verpaßt. Aber bei Die Bürde der Pflicht war das Ende noch nicht einmal in Sicht, und als ich ihn von West Virginia aus anrief, war er noch mit größeren Änderungen beschäftigt.
    »Ich glaube, ich füge am Buchanfang noch ein Kapitel ein, Jeff«, sagte er. »Um zu erklären, warum sich Ben Freeman freiwillig meldet.«
    »Ich dachte, Sie hätten das lektorierte Manuskript schon längst zurückgeschickt«, sagte ich.
    »Das habe ich auch, mein Sohn. Vor drei Wochen. Aber dann fing ich an, mir über Ben Sorgen zu machen. Er verpflichtet sich einfach so, aus keinem besonderen Grund. Würdest du das tun?«
    »Nein, aber eine Menge Rekruten haben es getan. Ich rufe an, weil ich ein bißchen Ärger wegen Traveller habe. In einem Brief an eine seiner Töchter schreibt Lee, er hätte Traveller im Herbst 1861

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