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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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fallenden Riesengliedern bebte und der Schild auf den Liegenden herniederrasselte. Die Trojaner flohen zurück in das Tor, und nach drängten sich die siegenden Rutuler. Da faßte Pandarus mit einem Blick auf die ausgestreckte Leiche seines Bruders die Torflügel in ihren Angeln und warf sie, mit den Schultern angestemmt, in die Wölbung zurück, daß das Tor verschlossen war und viele Trojaner im Gefechte draußen, viele Rutuler in die Mauern eingezwängt, zurückblieben. Aber der Unbesonnene hatte nicht bedacht, daß mitten unter den Eingeschlossenen Turnus selbst sich befand wie ein Tiger, der in den Stall eingelassen ist. Voll Entsetzens erkannten die Trojaner das schreckliche Gesicht und die riesigen Glieder. Nur Pandarus, ein Riese wie er, erschrak nicht. Voll Erbitterung über die Ermordung seines Bruders stellte er sich ihm entgegen und rief. »Hier bist du nicht im Palaste der Latinerkönigin, schmachtender Bräutigam; im Feindeslager stehest du und wirst nicht wieder hinauskommen!« Turnus lächelte nur und erwiderte ganz ruhig: »Bind an, wenn du es wagst, und beginne nur den Zweikampf; und wenn du ein Hektor wärest, so sollst du deinen Achilles finden!« Pandarus schleuderte darauf seinen Wurfspieß, in dem die Rinde noch mit allen Knoten saß; aber Juno lenkte das Geschoß ab, und die Lanze flog in den Torflügel. Jetzt bäumte sich Turnus und schwang sein Schwert: »Diesem Streiche wirst du nicht entfliehen!« schrie er und spaltete ihm die Schläfe mitten durch die Stirne, daß das Haupt, in gleiche Teile zerhauen, dem Zusammensinkenden von den Schultern herunterhing.
    Zitternd stäubten die Trojaner auseinander; und wäre dem Sieger jetzt der Gedanke gekommen, das Tor wieder zu öffnen und seine Freunde hereinzulassen, so wäre es um die neue Ansiedlung Trojas geschehen gewesen. So aber ließ er sich von der Mordlust betören und drang von Sieg zu Siege mit den Seinen immer tiefer in das Innere des Lagers ein. Schon war die Verwirrung bis zu Serestus und Mnestheus gedrungen, die in der Mitte der Mauern befehligten. Da brachte zuerst Mnestheus die fliehenden Freunde mit den Worten zur Besinnung: »Wohin wendet ihr euch, Unsinnige, was für andere Mauern, was für andere Burgen besitzet ihr? Soll ein einziger Mann, rings umschlossen von euren Wällen, ungestraft ein solches Gemetzel unter euch anrichten? Habt ihr euer Vaterland, euren Führer Äneas, die Götter eurer Heimat so schamlos vergessen?« Mit solchen Reden beschämte und kräftigte er die Fliehenden, daß sie, in eine dichte Rotte zusammengedrängt, wieder standhielten. Den Turnus hatte der siegreiche Kampf selbst allmählich ermüdet.
    Zum Tore zurückzudringen konnte er nicht mehr hoffen; so kämpfte er sich mühsam vorwärts, wo das Lager ohne Mauern an den Fluß grenzte. An den Sandbänken des Stromes angelangt, zog er sich mit schnelleren Schritten, doch noch ohne Flucht, zurück, und wenn ihm der Feind zu nahe auf den Leib kam, trieb er ihn immer noch siegreich mit dem Schwerte zurück. Nun flogen aus der Ferne von allen Seiten Geschosse nach ihm; von den anprallenden Steinen erklang sein Helm, der Busch war zerfetzt; der Schild steckte voll Speere und ward so schwer, daß seine Linke ihn kaum mehr zu halten vermochte. In diesem Augenblicke stürmte auch Mnestheus in blitzenden Waffen auf ihn zu, und wie flüssiges Pech rann ihm der Schweiß über den Leib. So war er fechtend am Rande des Flusses angekommen. Da zum ersten Male kehrte Turnus dem Feinde den Rücken und warf sich in voller Rüstung in die Wogen des Tiberstroms. Dieser nahm den Kommenden willig auf und trug ihn mit sanften Wellen aus dem Bereiche des Lagers ans Gestade, wo er bald, von Blut und Staube rein gewaschen, bei den Seinigen eintraf.
    ÄNEAS KOMMT INS LAGER ZURÜCK
    Jupiter hatte in einer Götterversammlung die Klagen seiner Gemahlin Juno und die Fürbitten seiner Tochter Venus angehört und beschlossen, ohne Einmischung der Himmlischen alles dem Schicksale zu überlassen; so dauerte denn die Belagerung der trojanischen Niederlassung und der Kampf der Rutuler und Trojaner um die Mauern fort.
    Inzwischen war Äneas mit seiner Heeresabteilung und der arkadischen Reiterei in der blühenden tuskischen Stadt Agylla angekommen. Diese hatten ihren grausamen König Mezentius vertrieben, und da der Verjagte zu Turnus entflohen war, so lebten die Bewohner der Stadt in tödlicher Feindschaft mit Rutulern und Latinern. Deswegen wurde Äneas von dem jetzigen Beherrscher

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