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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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den Brunnen gefallen wäre.
    Voll Staunen und Schrecken verließ Jacinta den Saal. Sie schloß diese Nacht kaum ein Auge, und als sie mit Tagesanbruch aus einem unruhigen Schlaf erwachte, schien ihr das Ganze einem Fiebertraum ähnlich. Als sie aber in den Saal hinab ging, zeigte sich die Wahrheit der Erscheinung; denn sie sah neben dem Brunnen die Silberlaute im Morgensonnenscheine glänzen.
    Sie eilte zu ihrer Tante, um ihr Alles zu erzählen, was ihr begegnet war, und forderte sie auf, die Laute als Beweis der Wirklichkeit ihrer Erzählung zu betrachten. Wenn die gute Frau ja noch einige Zweifel hatte, so wurden diese zerstreut, als Jacinta das Instrument berührte; denn sie entlockte demselben so hinreißende Töne, daß selbst die eisige Brust der unbefleckten Fredegonda, diese Region ewigen Winters, aufthaute und sich freudig erschloß. Nur eine übernatürliche Musik vermochte eine solche Wirkung hervorzubringen.
    Die außerordentliche Macht der Laute wurde täglich bemerkbarer. Der Wanderer, der an dem Thurme vorbeikam, blieb in athemlosem Entzücken so zu sagen festgezaubert. Selbst die Vögel sammelten sich auf den benachbarten Bäumen und lauschten, ihrer eigenen Lieder vergessend, in stummem Entzücken.
    Das Gerücht verbreitete die Neuigkeit bald weiter. Die Bewohner Granada’s strömten zu der Alhambra, um einige Töne der herrlichen Musik zu erhaschen, die um den Thurm der Prinzessinnen erscholl.
    Die liebliche kleine Künstlerin wurde endlich ihrer Einsamkeit entrückt. Die Reichen und Mächtigen des Landes stritten sich, sie zu bewirthen und mit Ehren zu überhäufen, oder vielmehr, sich den Zauber ihrer Laute zu sichern, um die Modewelt in Schaaren in ihre Säle zu locken. Wohin sie ging, hielt ihre sorgsame Tante die Wache eines Drachen an ihrer Seite und schreckte den Strom verliebter Bewunderer, die entzückt an ihrem Gesange hingen, zurück. Die Sage von ihrer wundervollen Gabe ging von Stadt zu Stadt. Malaga, Sevilla, Cordova, – alle wurden nach und nach in den Strudel hineingerissen, und man sprach in ganz Andalusien von nichts mehr als von der schönen Künstlerin der Alhambra. Wie konnte es auch bei einem so musikalischen und verliebten Volke, wie die Andalusier, anders sein, – da die Macht der Laute magisch und die Künstlerin von Liebe begeistert war?
    Während ganz Andalusien so musiktoll war, herrschte an dem spanischen Hofe eine ganz andere Stimmung. Philipp V. war, wie wohl bekannt ist, ein unglücklicher Hypochondrist und allen Arten von Grillen unterworfen. Manchmal blieb er wochenlang im Bette und ächzte in eingebildeten Schmerzen. Ein anderes Mal bestand er darauf, dem Throne entsagen zu wollen, zum großen Aerger seiner königlichen Gemahlin, die für den Glanz des Hofes und die Glorie einer Krone ziemlich viel Neigung hatte und das Scepter ihres kindlichen Gemahls mit kluger und fester Hand führte.
    Nichts zeigte sich wirksamer, die königlichen Schwindel zu verscheuchen, als die Macht der Musik; der König sorgte daher, die besten Sänger und Tonkünstler zur Hand zu haben, und behielt den berühmten italienischen Sänger Farinelli als eine Art königlichen Leibarztes bei Hofe.
    In dem Augenblicke jedoch, von welchem wir sprechen, hatte sich in dem Kopfe dieses weisen und erlauchten Bourbons eine Grille festgesetzt, welche alle früheren Einfälle übertraf. Nach einer langen, eingebildeten Krankheit, die allen Arien Farinell’s und den Berathungen eines ganzen Orchesters von Hofgeigern Trotz bot, gab der Monarch in Gedanken den Geist auf und hielt sich für maustodt.
    Dieß wäre ziemlich harmlos, ja der Königin und den Höflingen selbst ganz gelegen gewesen, wenn er sich bequemt hätte, in der für einen Todten passenden Ruhe zu bleiben. Zu ihrer Qual bestand er darauf, die Leichenceremonien mit sich vorgenommen sehen zu wollen, und begann zu ihrer unaussprechlichen Verwirrung ungeduldig zu werden und über ihre Nachlässigkeit und Geringschätzung, ihn so lange unbegraben zu lassen, bitter zu schelten. Was war zu thun? Den bestimmten Befehlen des Königs nicht zu gehorchen, war in den Augen der dienstwilligen Höflinge etwas Abscheuliches, – aber ihnen zu gehorchen und ihn lebendig zu begraben, wäre doch offenbarer Königsmord gewesen.
    Mitten in dieser fürchterlichen Verlegenheit erreichte das Gerücht von einer Künstlerin, die ganz Andalusien den Kopf verdrehte, den Hof. Die Königin sandte in aller Eile Boten ab, sie nach St. Ildefonfo zu bescheiden, wo

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