Sagen von der Alhambra (German Edition)
Erregung und Verlegenheit blieb, und sie saß da, höher und höher erröthend, die Augen auf ihre Arbeit niedergeschlagen, und den Seidenfaden, den sie aufwinden wollte, verwirrend. Der listige Page sah die Verwirrung in dem feindlichen Lager, und hätte gern davon Gewinn gezogen, aber die schönen Reden, die er hören lassen wollte, starben ihm auf den Lippen, und seine Artigkeitsversuche waren linkisch und ohne Erfolg; und zu seinem Befremden fand sich der gewandte Page, der mit solcher Anmuth und Ungezwungenheit mit den klügsten und erfahrensten Hofdamen verkehrt hatte, vor einem einfachen, fünfzehnjährigen Mädchen beschämt und verblüfft.
Das kunstlose Mädchen hatte in der That in ihrer Bescheidenheit und Unschuld einen bessern Schirm, als in den Riegeln und Schlössern, welche ihre sorgsame Tante vorgeschrieben hatte. Indeß wo ist die weibliche Brust, die gegen das erste Flüstern der Liebe gestählt ist? Das kleine Mädchen verstand bei aller ihrer Kunstlosigkeit Alles, was die stotternde Zunge des Pagen nicht auszudrücken im Stande war, und ihr Herz zitterte, als sie zum ersten Mal einen Liebhaber – und gar einen solchen Liebhaber, zu ihren Füßen sah.
Die Schüchternheit des Pagen war zwar ungeheuchelt, aber nur kurz, und er erlangte seine gewöhnliche Ruhe und sein Selbstbewußtsein wieder, als in der Ferne eine gellende Stimme gehört ward.
»Meine Tante kommt aus der Messe zurück!« rief das Mädchen erschreckt: »Ich bitte, Señor, entfernt Euch!«
»Nicht eher, als bis Ihr mir die Rose in Eurem Haar als Andenken gebt.«
Sie machte die Rose hastig aus ihrem Rabenhaare los. »Nehmt«, sagte sie, verwirrt und erröthend, »aber geht, ich bitte.« Der Page nahm die Rose und bedeckte zu gleicher Zeit die schöne Hand, welche sie gab, mit Küssen. Dann steckte er die Blume auf seine Mütze, nahm den Falken auf seine Faust und sprang durch den Garten fort, das Herz der holden Jacinta mit sich nehmend.
Als die wachsame Tante in den Thurm kam, bemerkte sie die Bewegung ihrer Nichte und eine Art Unordnung in dem Saal; allein ein erklärendes Wort genügte. »Ein Geierfalke hatte seinen Raub bis in den Saal verfolgt.«
»Gott sei uns gnädig! Ein Falke, der in den Thurm fliegt! Hat man je von einem so frechen Thiere gehört! Ei, unser Vogel im Käfig ist nicht mehr sicher.«
Die wachsame Fredegonda war eine der vorsichtigsten alten Jungfern. Sie hatte einen gehörigen Schrecken und passendes Mißtrauen in das, was sie »das entgegengesetzte Geschlecht« nannte, – Gefühle, die durch ein langes unverheirathetes Leben noch gesteigert worden waren. Nicht als wenn die gute Frau je durch die Tücken der Männer gelitten hätte, die Natur hatte ihr eine Schutzwehr in das Gesicht geprägt, welches jedes Eindringen in ihr Gebiet abhielt; aber die Frauen, die am wenigsten Grund haben, für sich besorgt zu sein, sind am ersten bereit, reizendere Nachbarinnen streng zu bewachen.
Die Nichte war die Waise eines Offiziers, der im Kriege gefallen war. Sie war in einem Kloster erzogen und neulich aus ihrem heiligen Asyl geholt und unter die unmittelbare Aufsicht ihrer Tante gegeben worden, unter deren schirmender Pflege sie in der Einsamkeit aufwuchs, wie die sich öffnende Rose unter einem Dornbusch erblüht. Diese Vergleichung ist nicht ganz zufällig; denn, die Wahrheit zu sagen, ihre Frische und sich entfaltende Schönheit hatte selbst in dieser Abgeschlossenheit das öffentliche Auge auf sich gezogen, und das umwohnende Landvolk hatte ihr mit der dem Andalusier eignen poetischen Ausdrucksweise den Namen »die Rose der Alhambra« gegeben.
Die bedächtige Tante fuhr fort, über die verführerische kleine Nichte so lange die treueste Wache zu halten, als der Hof zu Granada weilte, und sie schmeichelte sich, daß ihre Wachsamkeit erfolgreich sei. Es ist wahr, die gute Frau wurde dann und wann über das Klimpern von Guitarren und das Singen von Liedchen, die leise aus dem mondbeglänzten Gebüsch unten am Thurme heraufklangen, mürrisch und ärgerlich; aber sie ermahnte dann stets ihre Nichte, das Ohr gegen solche eitle Singerei zu schließen, indem sie sie versicherte, dieß sei einer der Kunstgriffe des »entgegengesetzten Geschlechtes«, durch welche einfache Mädchen oft in ihr Verderben gelockt würden. Ach! was vermag bei einem einfachen Mädchen eine trockene Predigt gegen ein Mondschein-Ständchen.
Endlich hob König Philipp seinen Aufenthalt zu Granada auf und reiste plötzlich mit seinem ganzen
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