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Sagen von der Alhambra (German Edition)

Sagen von der Alhambra (German Edition)

Titel: Sagen von der Alhambra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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war vor ihrer Verheirathung eine Dorfschönheit gewesen – berühmt wegen ihrer Geschicklichkeit, den Bolero zu tanzen und die Kastagnetten zu rühren; und sie behielt ihre früheren Liebhabereien bei, vergeudete den mühsamen Erwerb des ehrlichen Peregil in Putz, und nahm sogar den Esel in Beschlag, um Lustpartien auf das Land zu machen, so oft ein Sonntag oder Festtag oder einer der zahllosen Feiertage kam, die in Spanien fast häufiger sind als die Tage der Woche. Bei allem dem war sie auch ein wenig von einer Schlumpe, etwas mehr von einer Faulenzerin und vor allem eine Klatsche von der ersten Sorte, die ihr Haus, ihren Haushalt und alles Uebrige vernachlässigte, um in den Häusern ihrer geschwätzigen Nachbarn herumzuliegen.
    Er aber, der dem geschornen Lamme den Wind mischt, paßt auch das Ehestandsjoch dem sich beugenden Nacken an. Peregil trug alle die schweren Lasten von Weib und Kindern mit so mildem Sinne, wie sein Esel die Wasserkrüge, und obgleich er seine Ohren wohl für sich schüttelte, wagte er es doch nie, die haushälterischen Tugenden seines schlumpigen Weibchens in Zweifel zu ziehen.
    Er liebte seine Kinder auch, wie eine Eule ihre Eulchen liebt, weil sie in ihnen ihr eigenes Bild vervielfältigt und fortgepflanzt sieht; denn es war eine starke, breitschultrige, krummbeinige kleine Brut. Die größte Freude des ehrlichen Peregil aber war, wenn er sich zuweilen einen Feiertag machen konnte und einige Maravedis auszugeben hatte, das ganze Nest mit sich hinaus zu nehmen – einige auf dem Arm, einige an seinem Rockschooß hängend, und einige ihm auf den Fersen nachtrollend – und in den Gärten der Vega zu bewirthen, während seine Frau mit ihren Feiertagsfreundinnen in den Angosturas des Darro tanzte.
    Es war spät in einer Sommernacht, und die meisten Wasserträger hatten sich schon aus den Straßen entfernt. – Der Tag war ungewöhnlich heiß gewesen; die Nacht war eine jener köstlichen Mondscheinnächte, welche die Bewohner der südlichen Länder einladen, sich für die Hitze und Unthätigkeit des Tages zu entschädigen, indem sie im Freien bleiben und die gemäßigte Milde der Luft bis nach Mitternacht genießen. Es waren daher noch Leute draußen, die Wasser verlangten. Peregil dachte, als ein besonnener, arbeitsamer, kleiner Vater, an seine hungrigen Kinder und sagte zu sich: »Noch einen Gang zum Brunnen, um einen Puchero für die Kleinen auf den Sonntag zu verdienen.« Bei diesen Worten schritt er muthig den steilen Pfad zu der Alhambra hinan, sang unterwegs und gab dann und wann seinem Esel einen tüchtigen Schlag mit einem Prügel in die Seite, entweder als Takt zu dem Lied, oder als Ermunterung für das Thier; denn tüchtige Schläge dienen bei allen Lastthieren Spaniens statt des Hafers.
    Als er an den Brunnen kam, fand er ihn von Allen verlassen, einen einsamen Fremden in maurischem Gewand ausgenommen, der auf der Steinbank im Mondscheine saß. Peregil hielt erst an und betrachtete ihn mit einem Erstaunen, das nicht ganz ohne Furcht war; aber der Maure winkte ihm leise, sich zu nähern, und sagte: »Ich bin schwach und krank; hilf mir, in die Stadt zurück zu kommen, und ich will dir das Doppelte von dem bezahlen, was du mit deinen Wasserkrügen verdient hättest.«
    Das biedere Herz des kleinen Wasserträgers war bei dieser Bitte des Fremden von Mitleid durchdrungen. »Gott verhüte«, sagte er, »daß ich einen Lohn oder eine Gabe für eine Handlung der Menschlichkeit verlange.« Er half also dem Mauren auf seinen Esel und zog langsam nach Granada hinab; der arme Moslem war so schwach, daß er ihn auf dem Thiere halten mußte, damit er nicht herabfiel.
    Als sie in die Stadt kamen, fragte der Wasserträger, wohin er ihn führen solle. »Ach«, sagte der Maure schwach, »ich habe weder Haus noch Wohnung; ich bin ein Fremdling in dem Lande. Laß mich mein Haupt diese Nacht unter deinem Dache niederlegen, und du sollst reichlich dafür belohnt werden.«
    Der ehrbare Peregil sah sich auf diese Art unerwartet mit einem ungläubigen Gaste belastet, war aber zu menschlich, um einem Manne, der in einer so verlassenen Lage war, ein Nachtlager zu versagen; er führte den Mauren daher in seine Wohnung. Die Kinder, die, wie gewöhnlich, wenn sie den Tritt des Esels hörten, mit offnem Munde herauskamen, liefen erschreckt zurück, als sie den beturbanten Fremden sahen, und versteckten sich hinter ihre Mutter. Die letztere schritt unerschrocken heraus, wie eine gluckende Henne vor ihrer

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