Saiäns-Fiktschen
schwankte wieder, und stand, und stand frei, und stand aufrecht)
allein es gehöre zu Uniterrs Grundsatz, an das Gute im Menschen zu glauben, zumal bei einem so jungen Menschen, der ja auch guten Willen zeige, rückhaltlos sich selbst zu erkennen und — dies wolle man ihm unterstellen — in festem, hingebungsvollem Vertrauen zu einer künftigen straffen Führung durch seine Kameraden Lehrer den inneren Feind restlos auszumerzen; man konzidiere ihm denn also Bereitschaft, eine gegebene Bewährungschance mit absolutem Einsatz zu nutzen —
Und Janno, von schmerzhaftem Glück durchflutet, hörte ungläubig gläubig diese Worte und wußte, daß er dem Vaterland niemals einen Dank würde abstatten können, der Uniterrs Großmut würdig sei: trotz all des Unflats in seinem Hirn ließen ihn die Kameraden nicht fallen, reichten sie ihm noch einmal die Hand, gaben sie ihm noch einmal eine Chance; und er hörte seinen Professor reden und spürte Tränen in den Augen und sah durch den Tränenschleier seine Helfer vor sich sitzen, sie, die nur sein Bestes gewollt und, wenn sie ihn auch hart angefaßt hatten, nur in seinem Interesse gehandelt, und da sein Professor dann noch einmal fragte, ob der Kandidat einverstanden sei, die Bänder der Bewußtseinserhebung zu statistischen Zwecken auswerten zu lassen, schmetterte Janno sein „Jawohl!“.
Der Professor nickte; Nicken der andern; Nicken Jannos; Lächeln der Frau. — Auf dem Tisch die Röllchen, in mattgrauer Verpackung, im milden Licht der Sonne, schön. Welch ein würdiges Ende: edel, hilfreich und gut. — So habe er denn, sagte der Professor, dem Bürger Janno mitzuteilen, daß seiner Bitte, studieren zu dürfen, bedingt positiv entsprochen werde: mit einer Bewährungsfrist und mit Bewährungsauflagen, deren Erfüllen auf eine Läuterung seines Bewußtseins in dem Maß würde schließen lassen, in welchem es, dies Erfüllen, zur Erhellung und also denn auch zu späterem Läutern des Denkens ihm namentlich noch zu benennender Kommilitonen oder anderer Bürger konkret substantiell beitragen werde —: Ob er diese Entscheidung als seine eigne betrachte?
Und während Janno, also in den Höheren Dienst tretend, beglückt beschämt von der so gänzlich unverdienten Gnade leise, aber fest noch einmal „Jawohl!“ sagte, dachte er, und dachten zu dieser Stunde in diesem Gebäude ihrer tausend und in gleichen Gebäuden ihrer hunderttausend, daß in dem Wort „Bewußtseinserhebung“ viel mehr als nur Statistisches stecke: Es sei wahrhaft eine Erhebung des Bewußtseins auf die lichten Höhen wahrhafter Reinheit;
und Janno, in dieser Erkenntnis strahlend, überlegte einen Augenblick, ob er es wagen dürfe, seinen Kameraden Lehrern diese seine Erkenntnis mitzuteilen, vielleicht als ersten Beweis sich läuternder Einsicht; da sagte, etwas ungeduldig, sein Professor: „na denn!“ —
und Janno, begreifend, daß er schon viel zu lange ihre kostbare Zeit in Anspruch genommen, grüßte, wie schon in der Elementarschule geübt, seine Erzieher durch völliges Erstarren des aufrecht vor sie hingestellten Leibes, der in diesem Moment ganz eins mit dem Geist war; und während die Frau Jannos Bestellungskarte ausfüll-
aber das ist ja schon nicht mehr wichtig. Und natürlich ging er mit seinem Verzehrbon abends dann in sein Restaurant; und natürlich die Melodie aus dem Automaten; und natürlich schlief er später einmal mit der Sekretärin seines Professors. Einer seiner ersten Bewährungsaufträge galt übrigens seinem Vater. Aber das ist wirklich nicht mehr interessant.
PAVLOS PAPIERBUCH
Es ist einfach nicht wahr, daß in Uniterr Papierbücher verboten sein werden. Im Gegenteil: sie werden mit aller erdenklichen Sorgfalt in speziellen Bibliotheken bewahrt und Wissenschaftlern dort zur Verfügung gestellt, ja selbst Privatpersonen dürfen Papierbücher besitzen und lesen, sie dürfen sie sogar verleihen, es wird nur — des unschätzbaren materiellen wie historisch-kulturellen Wertes wegen — verboten sein, sie zum Handelsobjekt zu degradieren. Gegen solchen Schutz ist nichts einzuwenden, und ebenso selbstverständlich ist es, daß — Uniterrs Verfassung und Sendung getreu — alle Papierbücher destruktiven, amoralischen, das heißt uniterrfeindlichen, oder sonstwie schädlichen, oder möglicherweise schädlichen Inhalts, oder aus sonstigen Gründen, als spezialsekretiert nur einem äußerst streng begrenzten Personenkreis zugänglich sind.
Nach den zwei Atomkriegen vor
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