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Saiäns-Fiktschen

Saiäns-Fiktschen

Titel: Saiäns-Fiktschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fühmann
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ihm haßte, diesen Fremden, der sich in sein Hirn eingeschrien, sie mußten ihm eine Möglichkeit geben, sein Fehldenken wiedergutzumachen, seine Liebe zu Uniterr zu beweisen —
    und da endlich fiel es Janno ein, daß sein Wartenmüssen sich damit erkläre, daß sie — aber halt: was erlaubte er sich! —, daß die hochverehrten Kameraden Mitglieder des Prüf-, des Bewußtseinserhebungsrates auf eine Stellungnahme von ihm warteten und daß er in diesem Augenblick vielleicht die letzte Chance vertue, mit einem Geständnis zu ihnen zu ei-
    („Der G-S-Komplex kommt ein wenig sehr spät“, bemerkte im Prüfungsrat der Professor, als das Schalenmodell von Jannos Denken die dafür charakteristischen, hellgelb eingefärbten Spiralen zeigte)
    -len; und Janno wollte vom Stuhl aufspringen, da fiel ihm ein, daß er ja gar nicht hinauszugehen, sondern sein Geständnis nur zu denken brauche, da die hochverehrten Kameraden und Kameradinnen Mitglieder des Bewußtseinserhebungsrates unmittelbar in sein Gehirn sehen konnten. Und da Janno dies dachte, erschien vor ihm das Bild seines Hirns, wie sie es wohl sahen: grau, mürb, voller Fäulnisherde, verwesend, eine abscheuliche, schmierige, schmutzige Masse, die er da in seinem Schädel schleppte; er fühlte Ekel vor sich selber, doch nicht mehr die Kraft, ihm zu begegnen; er fühlte zwar wie eine verwehende Hoffnung noch den Wunsch, daß der Unflat aus seinem Hirn geräumt und sein Denken so gereinigt werde, wie man Uniterrs Städte reinigt, mit harten Bürsten und scharfen Laugen, doch er dachte zugleich, daß sich das nicht lohne, daß es einfach zu viel verlangt sei, sich noch mit so einem wie ihm zu befassen, daß man so einen am besten vergesse und daß ebendies nun mit ihm geschehe, und Janno spürte sein Wollen entgleiten, auch der Brechreiz schwand, es blieb nur noch ein Warten, stumpf, und schon nicht mehr als Stumpfsein empfunden, und als Janno auch nicht mehr das Warten empfand und nur noch ein Zubehör des Raums war, erscholl, jetzt Stimme des Professors, Jannos Kennummer mit der Weisung aufzustehen.
    Janno stand auf.
    Die Tür öffnete sich.
    Janno blieb stehn.
    Die Weisung, auf den Korridor zu treten.
    Janno trat auf den Korridor; aus dem Nebenzimmer kam, ein Schächtelchen Film- und Tonband in Händen, eine Frau und ging an Janno vorbei. Er sah ihr nicht nach. — Die Frau ging den Korridor hinab; aus der Tür rief der Professor; er sah Janno, der geradeaus sah, nicht an und rief der Frau nach, sie habe den B-Film vergessen. — Die Frau kam zurück; Janno sah gradeaus; die Frau, mit einem Schächtelchen mehr in der Hand, ging den Korridor hinab und verschwand.
    „B-Film“, hörte Janno, und er wußte, daß das, was die Frau da weggetragen, das Protokoll seiner Bewußtseinserhebung war, doch er hatte nichts Anderes im Hirn, als auf die nächste Weisung zu warten. — „Nun“, sagte, in der Tür, der Professor, und er trat auf Janno zu, „wie war doch der Name, Janno, nicht wahr?“ — „Jawohl!“ sagte Janno. — Kein Fischgeruch. — „Nun denn“, sagte der Professor; im Beton ein Knacken, und plötzlich sah Janno wieder Restaurant und Musikbox, und jetzt sah er, ohne es zu hören, doch in unabweisbar sich entfaltender Langsamkeit, wie der Kellner zu dem Automaten eilte und ihn übers Schreien des Fremden hinweg auf die schmetterndste Lautstärke drehte: Schwarz dein Haar deine Lippen so rot. — Der Schall wollte Janno zersprengen. — „Kommen Sie mit!“ sagte der Professor. — Keine Volksschützer? — Janno trat in den anderen Raum.
    Ein runder Tisch, zwei Unbekannte; der Professor setzte sich zu ihnen; Janno blieb an der Türe stehn. — Die drei Männer sahen ihn an. — Keine Weisung. — Mein Geständnis! dachte Janno; sie warten ja jetzt auf mein Geständnis! Allein er brachte kein Wort heraus. Die drei sahen ihn an, und Janno wünschte, sie könnten auch jetzt noch in ihn hineinsehn, wie er zu gestehen sich mühte; brach es nicht aus seinem Blick? — Oder der Schrei, der nun wieder in ihm sich regte? — „Ich —“, begann er; und aufs neue das Würgen; er sah groß die Spitzen seiner Schuhe. — Sie waren voll Schmutz. — Scharren eines Stuhls; ein Knistern; der Professor hob die drei Röhrchen Bänder, die vor ihm auf dem Tisch lagen, hoch. — Janno sah hin; noch immer die Blicke. — Mein Hirn in seiner Hand, dachte Janno, und er dachte es fast verwundert: Sie haben mein Hirn in ihrer Hand! Er starrte auf das matt glänzende Grau der

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