Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
Manuskripten von geringer Bedeutung begraben.
In der zusammenfassenden Abschrift, die uns überliefert wurde (die von Salaì geschriebenen Originale sind leider verloren), fehlen freilich einige wesentliche Angaben, vor allem das genaue Datum der einzelnen Briefe und außerdem die Antwortschreiben, die Salaì von seinem unbekannten florentinischen Briefpartner erhielt (auf dessen Identität der Text allerdings aufschlussreiche Hinweise gibt).
An der Echtheit der Briefe haben die wichtigsten Leonardo-Forscher jedoch nicht den geringsten Zweifel. Es ist bekannt, dass Leonardo da Vinci sich in den ersten Monaten des Jahres 1501 nach Rom begab, um dort eine Zeitlang die Werke der Antike zu studieren. Während dieser Zeit weilten auch andere historische Persönlichkeiten in der Papststadt, die Salaì in seinen Briefen erwähnt, zum Beispiel der polnische Astronom Kopernikus und dessen Landsmann, der Erzbischof Erasmus Ciolek. Äußerst detailgetreu sind die Angaben, die Salaì über seine Zeitgenossen macht, vom päpstlichen Zeremoniar Johannes Burkard bis zu den deutschen Bankiers Fugger, und ebenso präzise ist sein Bericht über den grausamen Mord an Giovanni Maria de Podio, der den Zeremoniar als «supernumerarius» vertreten hatte – all dies Tatsachen und Umstände, die in ihrer Gesamtheit nur modernen Historikern bekannt sind, von einem Zeitgenossen Salaìs jedoch niemals hätten gefälscht werden können.
Der Titel auf dem Frontispiz des Manuskripts, der vielleicht Salaì selbst zugeschrieben werden kann, lautet: «Briefe des Salaì / Ziehsohn von Lionardo aus Vinci / und sein Lehrjunge / von Lionardo genannt / Dieb, Lügner, Dickschädel und Fressack / enthaltend die Zweifel ebendieses Salaì / an der Inquisizion welche Lionardo in Rom für den Valentino geführt / ergänzt durch eine Novelle des Boccaccio / und einen Brief des Machiavelli».
Weitere Dokumente aus dem wertvollen Archiv von Grugliate werden demnächst veröffentlicht. Wer weiterführende Informationen über die Entdeckung der Briefe und die Ergebnisse der Forschungen wünscht, die die Leonardo-Experten bis jetzt über den Briefwechsel betrieben haben, den verweisen wir auf den Artikel von N. Bianchi und P. Formigoni in der nächsten Ausgabe der International Review of Art History .
Monaldi & Sorti
DIE ZWEIFEL DES SALAÌ
1.
Erhabner und erlauchter Padrone ,
ich halte was ich versprech, und hier ist der erste Brief von mir Salaì, ergebenst Euer Diener, und mögt Ihr verzeihen, Signior Padrone, wann sie nicht genüsslich zu lesen sind weil ich komm aus dem Volk und hab nicht studirt und der einzige Lehrer den ich hatte ist mein Ziehvater gewesen, und ich spreche und schreibe nur unsere Sprache von Fiorenza, doch werd ich mein Bestes geben, und wann ich schon einen Feler geschrieben hab, so tut’s mir leid, aber hab zimlich wenig geschlafen heut in der Nacht und bin müd als wie ein Hund. Nach einer langen Fahrt sind Lionardo und ich heute in Rom angekommen der heiligen und sehr schönen Stadt. Es tut nicht Not dass ich Euch abermals den Grund nenne für meine Reise ins Reich vom Papst, da ich es Euch ja schon in Fiorenza sagte bevor wir aufgebrochen: Mastro Lionardo, mein Ziehvater und Lehrer, der große Baumeister und Maler, sagt er will diese Reise tun um die antiken Büsten, Statuen und die Ruinen Roms nach der Natur zu studiren. Er sagt auch kein Verleger hat Bücher, die zeigen, wie man die edlen antiken Palazzi vom römischen Imperium und die Schönheit der Baukunst zeichnen sollt und das ist schlecht, denn wie Lionardo immer sagt, es ist löblicher die alten Dinge nachzuahmen als die neuen.
Lionardo wird recht lange hier in Rom bleiben, zwei oder drei Wochen vielleicht um Statuen, Monumente und Tempel nach der Natur abzuzeichnen und ich werd bei ihm sein. Er sagt, dieser Auffenthalt wird seiner Kunst zu großem Nutzen gereichen, zum Beispiel will er in die berühmte Villa vom Kaiser Hadrian gehn, das haben ihm nemlich der Bramante, Giuliano da Sangallo und der Peruzzi geraten, die anderen Baumeister, so seine Freunde sind, aber die haben im Leben immer Schwein gehabt, wogegen am Lionardo das Pech klebt wie der Honig am Löffel und er hat nie auch nur einen Groschen in der Taschen.
In Wahrheit ist, wie ich Euch schon geschrieben, der Zweck der Reise ganz ein anderer als was Ser Lionardo sagt, denn er tut als wenn nichts wär aber ich, Signior Padrone; bin ja nicht tumb! Mein Ziehvater hat seine Sachen in Fiorenza, also sein Geld,
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