1589 - Der steinerne Templer
»Ja, den kenne ich.« Meine Stimme war ruhig geblieben, obwohl ich innerlich vibrierte. »Um was geht es denn?«
»Nicht am Telefon. Kommen Sie nach Paris.«
Das war ein Vorschlag, über den ich nicht lange nachdenken konnte. Ich musste die Antwort so schnell wie möglich geben, und da hörte ich auf meine innere Stimme und stimmte zu. Ich wollte ihm noch weitere Fragen stellen, aber Vidal hatte bereits aufgelegt.
Ich war mit meinen Gedanken allein gewesen, hatte mich wie in einer Zwickmühle gefühlt und den Umstand verflucht, dass ich so wenige Informationen besaß. Deshalb konnte ich nur hoffen, dass sich Vidal ein zweites Mal meldete, und das tat er tatsächlich.
Es war zwei Stunden vor Mitternacht, als er mich wieder anrief.
Ich hatte mich ja inzwischen entschieden. Und so hatten wir den Treffpunkt auf dem Charles-de-Gaulle-Airport ausgemacht, dem der Flieger jetzt entgegenschwebte.
Meine Spannung war nicht gewichen.
Meine Gedanken drehten sich immer noch um den erwähnten Namen.
Hector de Valois.
Er war ein Vorgänger von mir gewesen, der Besitzer des Kreuzes, das jetzt vor meiner Brust hing. Ein Templer, der ich selbst einmal gewesen war. Erst sehr viel später war ich als John Sinclair wiedergeboren worden.
Ein aufrechter Mann, dessen silbernes Skelett in der Kathedrale der Angst gelegen hatte. Jetzt gab es das Skelett nicht mehr, doch die Erinnerungen an meinen Vorfahren waren weiterhin wach.
Und der Anruf hatte mich regelrecht aufgerüttelt. Deshalb auch meine Anspannung, die noch stärker wurde, als das Fahrwerk der Maschine die Landebahn berührte, es einige Male ruckelte und das Flugzeug danach sanft schaukelnd über das Rollfeld rollte und schließlich an einem Ausläufer andockte.
Ich hörte neben mir ein Schnaufen. Der dicke Mann grinste mich an, als ich den Kopf drehte. Er schwitzte und meinte: »Mal wieder einen Flug überstanden.«
»Sicher. Warum nicht?«
»Ich werde meine Flugangst einfach nicht los. Aber leider muss ich fliegen, beruflich, meine ich, und das ist das Problem. Aber jetzt ist alles okay.«
»Wie schön für Sie.«
»Bis zum nächsten Mal.« Er schnallte sich los, weil die Maschine mittlerweile stand. Es gab keine Hektik beim Verlassen des Flugzeugs.
Die Passagiere warteten ab, bis der Ausgang freigegeben war, und ich gehörte zu den letzten Menschen, die das Flugzeug verließen. Zuvor hatte mir der Pilot meine Beretta zurückgegeben.
Jetzt war ich auf Maurice Vidal gespannt.
Ich kannte nur seinen Namen. Was er beruflich machte und wie er aussah, wusste ich nicht. Er würde mich erkennen, und ich hoffte, dass dieser Besuch in der französischen Hauptstadt kein Schlag ins Wasser war.
Betrieb auf einem Flughafen war ich gewohnt. Auch hier erlebte ich das Gewusel. Vor dem Gepäckband stehend umschwirrte mich ein Wirrwarr aus Sprachen.
Lange brauchte ich auf meine Reisetasche nicht zu warten. Sie rollte heran, ich packte sie und drehte mich dem Ausgang zu, wo der Franzose auf mich warten würde.
Mein Herz klopfte schon schneller, als ich einen Blick über die versammelten Menschen warf, die hier auf Freunde und Bekannte warteten. Ich schaute mich zwar um, aber es war niemand zu sehen, der die Ankommenden musterte.
Vielleicht machte ich mir auch falsche Vorstellungen von ihm, wer konnte das schon wissen. Dass er ein Kollege von mir war, daran glaubte ich nicht. Ich hatte mir bisher auch keine weiteren Gedanken darüber gemacht, wer er war. Aber er kannte Hector de Valois und er kannte mich, was nicht so natürlich war.
Ich schlenderte mit meiner Reisetasche einige Meter weiter, wo es etwas ruhiger war. Aufmerksame Polizisten patrouillierten durch die Halle. Es tat gut, das zu sehen. Es gab mir ein gewisses Gefühl der Sicherheit.
Und dann war er plötzlich da.
Ich hatte ihn nicht zuvor gesehen. Es mochte auch sein, dass ein Mensch wie er nicht großartig auffiel, denn im Gegensatz zu mir war er recht klein. Er war nicht alt und auch nicht jung, aber er hatte bereits einige Haare verloren. Man konnte bei ihm von einer hohen Stirn sprechen, die zu einem runden Gesicht gehörte mit flinken braunen Augen und einem breiten Mund, bei dem die Lippen kaum auffielen.
Bekleidet war er mit einem braunen Cordanzug und einem hellblauen Hemd.
»Monsieur Sinclair, wenn ich mich nicht irre.«
»Sie irren nicht.«
»Ich bin Maurice Vidal.« Er reichte mit seiner Hand, die recht breit war und schon an eine Pranke erinnerte.
»Wie schön.«
Er lachte. »Das wird sich noch
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