Salambo
anderen Ende der Terrasse und zeigte ihm den Park, wo die Schwerter der Söldner an den Bäumen hingen und in der Sonne glänzten.
âHier aber sind starke Männer voller Hass, die nichts an Karthago fesselt: keine Familie, keine Pflicht, kein Gott!â
Matho stand an die Mauer gelehnt. Spendius trat dicht an ihn heran und fuhr mit flüsternder Stimme fort:
âVerstehst du mich, Krieger? In Purpurmänteln könnten wir gehen wie Satrapen. Uns in Wohlgerüchen baden. Ich hätte dann selber Sklaven! Bist du's nicht müde, auf harter Erde zu schlafen, den sauren Wein der Marketender zu trinken und ewig Trompetensignale zu hören? Später willst du dich ausruhen, nicht wahr? Wenn man dir den Kürass vom Leibe reiÃt und deinen Leichnam den Geiern vorwirft! Oder vielleicht, wenn du blind, lahm und altersschwach am Stock umher schleichst, von Tür zu Tür, und kleinen Kindern und Hausierern von deinen Jugendträumen erzählst! Erinnere dich all der Schindereien deiner Vorgesetzten, der Biwaks im Schnee, der Märsche im Sonnenbrand, der Härte der Disziplin und des stets drohenden Todes am Kreuz! Nach so vielen Leiden hat man dir einen Orden verliehen, so wie man den Eseln ein Schellenhalsband umhängt, um sie auf dem Marsch einzulullen, damit sie die Strapazen nicht merken! Ein Mann wie du, tapferer als Pyrrhus! Ach, wenn du nur wolltest! Ha! Wie wohl wäre dir zumute in einem hohen kühlen Saal bei Leierklang, auf einem Blumenlager, von Narren und Frauen umringt! Sag nicht, das seien Phantastereien! Haben die Söldner nicht schon Rhegium und andere feste Plätze Italiens besessen? Wer hindert dich? Hamilkar ist weit. Das Volk verabscheut die Patrizier. Gisco vermag mit seinen Feiglingen nichts anzufangen! Du aber bist tapfer! Dir werden sie gehorchen. Führe du sie! Karthago ist unser! Erobern wir es!â
âNein!â sprach Matho. âMolochs Fluch lastet auf mir. Ich hab es in den Augen der Einzigen gelesen, und eben ist in einem Tempel ein schwarzer Widder vor mir zurückgewichen ... Wo ist sie?â fügte er hinzu, indem er sich umschaute.
Spendius begriff, dass den Libyer eine ungeheure innere Erregung quälte. Er wagte nicht weiter zu reden.
Die Bäume hinter ihnen glimmten noch. Aus verkohlten Zweigen fielen hin und wieder halb verbrannte Affenknochen in die Schüsseln hinab. Die trunkenen Söldner schnarchten mit offenem Munde neben den Leichen, und die nicht schliefen, senkten den Kopf, geblendet vom Morgensonnenlicht. Auf dem zerstampften Boden standen groÃe Blutlachen. Die Elefanten in ihren Pfahlgehegen schwenkten die blutigen Rüssel hin und her. In den offenen Speichern lag das Getreide ausgeschüttet, und unter dem Tor stand ein Wirrwarr von Karren, von den Barbaren ineinander gefahren. Die Pfauen auf den Zedernästen entfächerten ihre Schweife und begannen zu schreien.
Mathos Unbeweglichkeit setzte Spendius in Staunen. Der Libyer war noch bleicher als zuvor und verfolgte, beide Fäuste auf die Terrassenmauer gestützt, mit starrem Blick etwas am Horizont. Spendius beugte sich vor und entdeckte endlich, was jener betrachtete. Ein goldener Punkt rollte in der Ferne im Staub auf der StraÃe nach Utica. Es war die Radnabe eines mit zwei Maultieren bespannten Gefährts. Ein Sklave lief an der Spitze der Deichsel und hielt die Tiere an den Trensen. Auf dem Wagen saÃen zwei Frauen. Ihre Haare standen nach persischer Sitte kammartig hoch zwischen den Ohren unter einem Netz von blauen Perlen. Spendius erkannte die Insassen. Er unterdrückte einen Aufschrei.
Ein langer Schleier flatterte im Wind hinter ihnen.
***
1 Die Stadt Eryx in Sizilien wurde von den Söldnern unter Führung von Hamilkar 244 v. Chr. erobert
2 Eschmun-Tempel, Wahrzeichen Karthagos, stand auf der Akropolis
3 Der Ãbergang der Befehlsgewalt an Gisco wurde vor allem von der Partei des Hanno betrieben, eines Feindes von Hamilkar
4 Ursprünglich griechische (spartanische) Männer-Mahlzeit, in Karthago die organisierte Gemeinschaft der alten Geschlechter, die in der komplizierten Staatsverfassung Karthagos eine wichtige Rolle spielten
5 auch Salwamba (magna mater) oder Salammbô, Tochter Hamilkars
6 Sufeten (âRichterâ), die obersten Magistratspersonen in Karthago
7 Hätere: Tempel-Prostituierte, sozial anerkannt, oft gebildet
Kapitel 2
In Sikka
Zwei Tage später verließen die Söldner Karthago. Man
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