Salon der Lüste - 3
werden lassen. Immer noch musste er auf sein Herz achten, immer noch genoss er die unerwarteten Momente, die das Leben ihm schenkte.
Und selten - wenn überhaupt - schlug er eine Einladung aus.
Sie begegnete seinem Blick selbstbewusst. Erstaunlich, wie er fand, denn die meisten Menschen, die er kannte, hatten Angst, ihm in die Augen zu sehen.
»Und, nein, ich stehe nicht >auf der Speisekarte<, wie Sie es so charmant ausdrückten.«
Sein bedauerndes Lächeln war keineswegs aufgesetzt. »Jammerschade! Aber Sie könnten sich immer noch freiwillig zur Verfügung stellen.«
Ein kleines Lachen entfuhr ihr. Ihrer Miene und ihrer Haltung nach zu urteilen, war sie eher verärgert als belustigt. »Erlauben Sie mir, frank und frei zu sein, Mr. Saint.
Ich habe nicht die Absicht, mich Ihnen je anzubieten.«
Da war es: eine leichte Beschleunigung seines Herzschlags, die ihn mit Erregung flutete. Sie ähnelte dem Kribbeln, das er als Dieb erlebt hatte. Das Einzige, was noch verlockender war als eine Einladung, war eine Herausforderung.
Und diese bot ihm Ivy Dearing gerade.
Sie musste das Raubtier in ihm gefühlt haben, denn sie trat einen Schritt zurück und beäugte ihn wütend. »Ich vermute, Sie werden verschwinden, sobald die Sonne untergegangen ist?«
»Hmm.« Offensichtlich wollte sie, dass er blieb, wenn auch nicht aus den Gründen, auf die seine Libido hoffte. Sei es drum. »Derlei Fragen sollten gemeinhin in einem gleichgültigen Tonfall vorgebracht werden, Miss Dearing. Andernfalls verfehlen sie den Zweck, mich wissen zu lassen, dass es Sie nicht interessiert.«
»Es interessiert mich sehr wohl«, erwiderte sie und reckte ihr bezauberndes Kinn.
»Mich interessiert, dass zwei meiner Freundinnen tot sind und niemand in dieser verteufelten Stadt irgendetwas deswegen unternimmt. «
Ihre Wut schwappte ihm entgegen, überflutete ihn und zerrte mit roher Gewalt an ihm. Ihr folgte eine Welle von Reue, die wie Salz auf frischen Wunden brannte.
»Nichts, was ich tun könnte, Miss Dearing, würde Ihre Freundinnen zurückbringen.
Dazu ist es zu spät.«
»Ich weiß.« Sie wandte ihr Gesicht ab und wischte eine Staubschicht von einer Flasche neben ihrem Kopf. »Ich spreche nicht davon, sie zu Vampiren zu machen, sondern ihren Mörder zu finden und zu veranlassen, dass er für seine Taten bezahlt. «
Der Schmerz in ihrer Stimme war unüberhörbar Schmerz und Verlust.
Beides Gefühle, mit denen Samt sich leider viel zu gut auskannte.
»Bringen Sie mich zu Ihrer Mutter! «, befahl er ihr ernst. »Ich muss mit ihr reden.«
Die Vorhänge in Madelines Schlafgemach waren zugezogen, der schwere Samt Saints einziger Schutz vor der spätnachmittäglichen Sonne.
Als er das Zimmer betrat, erwartete sie ihn in der kleinen Sitzecke. Seit dem letzten Mal, dass er sie sah, hatte sie nichts von ihrem Liebreiz verloren - im Gegenteil. Eher war sie noch schöner geworden. Sie saß an einem hübsch gedeckten Tisch, ganz wie eine vornehme Dame, die im Begriff war, ihren Tee zu trinken.
Saint überkam eine tiefe Liebe. Das geschah bei Madeline stets, egal, wie viele Jahre zwischen ihren Begegnungen verstrichen.
»Guten Tag, Erdbeere.«
Lächelnd stand sie auf und kam elegant und mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.
Erst als sie näher war, bemerkte er die roten Ringe um ihre Augen und die zarten Falten zu beiden Seiten ihres Mundes. Sie war nicht mehr das junge Mädchen, das er halb erfroren und in Wehen in einer Gasse aufgelesen hatte. Heute war sie eine reife Frau mit einer schweren Last auf ihrem Herzen.
»Saint.« Ihre Arme umfingen ihn zusammen mit dem süßen Beerenduft, der ganz allein ihr eigen war. »Ich bin so froh, dass du gekommen bist! «
Es war lange her, seit er eine Frau zu einem anderen Zweck in den Armen gehalten hatte als dem, sich zu nähren oder den Geschlechtsakt zu vollziehen. Madelines Umarmung war eine sanfte Erinnerung an die Vitalität und Zerbrechlichkeit des menschlichen Körpers. Sie war Trost und Grazie, frei von dem Schmerz, den Saint oft mit Sterblichen assoziierte.
»Schwarz ist nicht deine Farbe, meine Liebe«, murmelte er an ihrem Ohr, bevor er sie wieder losließ. Ihre Blicke begegneten sich, und die Traurigkeit in ihrem dauerte ihn. »Erzähl mir, was geschehen ist.«
Madeline nickte, nahm seine Hand und führte ihn zum Tisch. »Komm und setz dich.
Du musst hungrig sein.«
Das war er.
»Ist er«, bestätigte eine trockene Stimme hinter ihm.
Saint sah über seine Schulter zu der
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