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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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wird wieder ein sauberer Mensch, der seinen Kindern ins Gesicht sehen kann. Das erstemal zeigte sich Gauvain erstaunt, daß George keinerlei Ekel vor seinem vergossenen Sperma empfand und sich sogar beklagte, daß er sie im Kalten liegen lasse, um unter die Dusche zu eilen. Sie ging sich nicht waschen, nein, und sei es auch nur, um mit dem abscheulichen Ritual ihrer Jugend zu brechen, damals als jede Sekunde die Gefahr der Schwängerung erhöhte und als kein Kölnisch Wasser genügte, um Straflosigkeit zu garantieren, selbst wenn man es mitten in die Lasterhöhle hineinzusprühen versuchte. Sie bleiben also eng umschlungen und hüten sich, von der Zukunft zu sprechen. Ihre jeweilige Zukunft fliegt morgen davon, in entgegengesetzte Richtungen. George wird wie üblich postlagernd nach Pointe-Noire schreiben. Er wird alle vierzehn Tage antworten, wenn er, falls alles klappt, an Land gehen kann. Und was wird er ihr schreiben? »Der Sturm tobt, Madame…«
    Wie traurig, einen Kormoran zu lieben. Immerhin ist er nicht mehr auf dem Nordatlantik, die Gefahr ist damit geringer. Die fünfzehn Stunden Rückreise wird George als gerade ausreichend empfinden, um sich zu sammeln, um ihre verschiedenen Bestandteile zu ordnen, angefangen bei ihrem Geschlecht. Du komische Möse, hast du gehört, mit dir rede ich. Du wirst eine Ruhepause einlegen. Die brauchst du wohl auch, meine Gute. Seit zehn Tagen wirst du unentwegt gestört, besichtigt, beglückt, mißhandelt, und dabei warst du allzeit bereit wie ein echter kleiner Pfadfinder! Ich bin deine Sklavin gewesen, und du hast mich ganz schön rangenommen! Tja, unter seiner Haut beherbergt man oft die seltsamsten Individuen. Aber nicht immer dieselben haben das Sagen. Das Fest ist zu Ende, meine Gute!

VI VORSICHT: GEFAHR!
    Sagt mir doch, daß das alles bald vorbei wäre, wenn ich mit Gauvain leben würde, und daß keiner von uns beiden sein Leben umkrempeln soll, vor allem er nicht. Sagt mir, daß es wahnsinnig wäre, sich auf seinen Körper zu verlassen, daß er wankelmütig ist und den Geist zu unvernünftigen Entscheidungen verführt, die sich schnell als katastrophal erweisen können. Sagt mir, daß ich es hinnehmen muß, diese Liebe zu verlieren, wenn ich sie bewahren will. Denn vorerst gelingt es mir nicht, meine alten Wegmarken wiederzufinden. Ich halte mich am Rand meines Lebens auf, ich muß erst durch eine Dekompressionsschleuse, erst muß der Überdruck nachlassen, ich muß versuchen, von der köstlichen Droge des Angebetetwerdens wegzukommen. Wenn ich wieder auftauche ins wirkliche Leben, muß ich mich auch an Sydneys wohltemperierte Liebe wieder gewöhnen, an seine mageren Schultern, seinen schon leicht gekrümmten Rücken, seine Unbekümmertheit, und dabei spüren meine Handflächen noch Gauvains Muskeldichte, und seine glühende Gegenwart will nicht weichen. Wie ein junges Mädchen trage ich seinen ersten Liebesbrief mit mir herum, ein kleines, kariertes Blatt Papier, das er mir am Flughafen zugesteckt hat, »für, wenn du wieder einmal aus meinem Leben herausgegangen bist«. Ebensosehr wie der Text rührt mich die bemühte Schrift an, sie steht im Dienste einer perfekten Rechtschreibung, wie sie die Schüler von früher beherrschen, solche wie er, die ihren Volksschulabschluß als Beste des Departements gemacht haben: »Früher hatte ich den Eindruck, daß sich die Tage alle ähnlich sind und daß sie sich bis zu meinem Tod ähnlich sein würden. Seit es Dich gibt… Fordere keine Erklärung von mir. Ich weiß nur eins: daß ich Dich in meinem Leben behalten will und hin und wieder auch in meinen Armen festhalten, wenn Du es erlaubst. Du betrachtest das, was mit uns geschieht, ein wenig wie eine Krankheit. Wenn es eine ist, dann will ich nicht gesund werden. Der Gedanke, daß es Dich irgendwo gibt, und daß Du manchmal an mich denkst, hilft mir zu leben.«
    Zum Glück kenne ich Gauvain zu gut ‒ oder glaube ich nur, ihn zu kennen? ‒, um zu befürchten, daß eine leidenschaftliche Liebe ihm für längere Zeit die Liebe zu seinem Beruf, also auch die Lust am Leben, rauben könnte. Das Meer wird wieder die Oberhand gewinnen, ihm den Sinn für die wahren Werte zurückgeben, vielleicht wird er mich sogar einige Zeit hassen dafür, daß ich ihn von seiner Bahn abgebracht habe. Wenn ihm dies helfen kann, wünsche ich es ihm, denn in dieser Beziehung fühle ich mich allzusehr als die Gewinnerin, also die Schuldige. Ich habe den Eindruck, daß ich unendlich viel weniger als

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