SAM
laufen. Ich gehe zum Tisch, um mir eine Serviette zu nehmen. Nachdem ich meine Tränen getrocknet habe, nehme ich mir meine Tasse Tee und versuche meine Gedanken wieder auf meine finanzielle Situation zu lenken. Ich besitze einen kleinen Studienfond, aus dem meine Ausbildung in den USA finanziert wird. Auf dieses Geld möchte ich nicht zurückgreifen, da sonst die Kosten meines Studiums nicht mehr gedeckt sind. Also bleibt mir nicht viel übrig, als umgehend einen Job zu suchen, was sich natürlich hier auf dem Land als schwierig darstellen wird, da es relativ wenig Möglichkeiten gibt, eine Arbeit zu finden. Der Verkauf der Bücher aus Grannys Laden wäre noch eine Option, aber ich glaube kaum, dass hierbei ein nennenswerter Gewinn zu erzielen ist. Ich blicke auf die Lokalzeitung und mir fällt ein Artikel besonders ins Auge:
„ Ashton Castle hat einen neuen Besitzer!“
Ich lese weiter und erfahre, dass ein Mr. Alexander DeMauriere das Schloss gekauft hat. Über den neuen Eigentümer wird in dem Artikel nicht mehr erwähnt, als dass er vorhat, dort auch zu wohnen. Ansonsten wird ein bisschen über die Geschichte des Schlosses berichtet und seine früheren Besitzer, sowie, dass es erfreulich wäre, dass nach 28 Jahren endlich ein neuer Schlossherr den besonderen Reiz des Anwesens erkannt habe. Am Ende steht dann noch : Da sich Mr. DeMauriere persönlich um den Wiederaufbau und die Instandsetzung des Gebäudes kümmern möchte, wird er in naher Zukunft eine Aushilfsstelle als Haushälterin/Assistentin zur Verfügung stellen. Bei Interesse…. Telefonnummer!
Ashton Castle ist hier ganz in der Nähe.Ich zögere nicht lange, nehme mein Telefon und rufe die genannte Nummer an.Nach langem Klingeln, meldet sich die Stimme eines offenbar älteren Herren: „Ja, bitte?“
„Guten Tag, mein Name ist Samantha Ravenport und ich rufe an wegen der Aushilfsstelle.“ Schweigen.
„Einen Moment bitte!“ Stille. Dann eine weitere Stimme, dunkel, tief: „Ja?“
„Hallo, mein Name ist Samantha Ravenport, ich rufe an wegen der Aushilfsstelle im Schloss“. Wieder Stille.
Dann: „Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich sie gleich darauf hinweisen, dass es sich nicht um eine feste Anstellung handelt und auch nicht um eine Stellung als Haushälterin! Ich brauche jemanden, der gelegentlich ein paar Erledigungen für mich macht, wenn ich verhindert bin.“ Ich bin zunächst über die ruppige, fast unhöfliche Art etwas erschrocken, antworte dann aber: „Ich bin trotzdem sehr interessiert. Ich selber besitze einen kleinen Buchladen, bin aber zur Zeit darauf angewiesen, mir noch etwas dazuzuverdienen. Also würde ich mich ihnen gerne vorstellen, wenn es ihnen recht ist.“ Nach einer kleinen Ewigkeit antwortet er: „Gut. Sind sie mobil? Haben sie ein Auto? Das ist Voraussetzung!“
„Ja, ich habe ein Auto!“, entgegne ich knapp.
„Dann kommen sie am Dienstag Abend, 18:00 Uhr, hierher ins Schloss und wir werden alles Weitere besprechen.“ Damit ist für ihn das Telefonat beendet und er legt ohne weiteren Gruß auf.
Was ist das denn für ein ungehobelter Kerl. Wenn er so grantig ist, werde ich mir genau überlegen, ob ich diesen Job annehme. Ich lege den Hörer wieder hin und denke über dieses seltsame Telefonat nach. Schließlich komme ich zu der Erkenntnis, dass ich vielleicht bald etwas Geld verdienen werde und mit dieser zuversichtlichen Einstellung mache ich mich am Nachmittag mit meinem klapprigen, alten, hellblauen Käfer auf nach Glastonbury, um in Grannys Buchladen etwas Ordnung zu schaffen. Was soll man sonst mit einem solchen, verregneten Tag anfangen?
Nachdem ich im Laden einige Bücher einsortiert habe, eine neue Lieferung mit Kinderbüchern geöffnet, den Lieferschein kontrolliert und die neuen Bücher ebenfalls in die Regale gestellt habe, überkommt mich so etwas wie Wehmut. Ich blicke mich im Laden um. In der Leseecke sitzt ein älterer Herr und blättert interessiert in einem Bildband über Indonesien und hinten in der Kinderlesestube liegen zwei Mädchen in den großen Sitzkissen und schmökern in Harry Potter Büchern. Ich halte einige Bücher zeitgenössischer Literaten in den Händen und streiche sanft über den Einband. Es wird mir unendlich fehlen von all den Büchern umgeben zu sein. Nachdem ich die Neuerscheinungen auf den Tisch gleich vorne am Tresen aufgestellt habe, schaue ich auf die Uhr. Es ist bereits nach 18:00 Uhr und soeben verlassen die beiden Mädchen
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