Samuel Carver 01 - Target
sie jetzt am sichersten.
Sobald Carver um die Hausecke bog, verließ er die Straße und tauchte ins Gebüsch. Aliks wäre fast über ihn gefallen, als er sich hinter einen großen Strauch hockte. Er wedelte ärgerlich mit der Hand, damit sie Abstand hielt, sah sie drohend an und legte einen Finger an den Mund, bevor er sich wieder umdrehte. Er beobachtete die Haustür und wartete darauf, dass die verbliebenen Bewohner erschienen.
Kursk war der Erste. Er stürzte aus der Tür, hustete ein paar Mal kräftig, um den Rauch aus der Lunge zu stoßen, und blieb stehen. Er blickte sich um. Er war unbewaffnet, wie Carver feststellte, und bleckte die Zähne wie ein Raubtier, das seine Beute erspäht hat.
Kurz darauf kam Titow. Er hatte seine Maschinenpistole an sich bringen können, doch der Rauch hatte ihm mehr zugesetzt als Kursk. Titow stand vornübergebeugt, stützte die Hände auf die Knie und hustete und schnaufte. Kursk gab ihm ärgerliche Zeichen, er solle ihm die Waffe geben. Titow war scheinbar nicht geneigt zu gehorchen.
Carver richtete sich auf und schob sich ungesehen durch die Büsche. Am Rand des runden Parkbereichs vor dem Haus trat er hervor und ging auf die beiden Männer zu. Der Brand, der neben ihm tobte, färbte seine linke Körperhälfte orange-rot.
Die Russen waren zu sehr mit ihrem Wortwechsel und körperlichen Unbehagen beschäftigt. Sie bemerkten Carver erst, als er schon auf fünf Meter herangekommen war. Er stand ganz ruhig, wartete, bis Kursk ihn sah, ihn erkannte und die Waffe in seiner Hand entdeckte, ehe er ihm in den Bauch und in den Schritt schoss. Carver wollte keinen schnellen Tod. Er schoss, um Schmerzen zu verursachen.
Kursk stimmte ein schrilles Geheul an, das so gar nicht zu seiner massigen Gestalt zu passen schien. Er krümmte sich am Boden und hielt sich mit beiden Händen den aufgerissenen Bauch und seine zerfetzte Männlichkeit.
Titow hatte beim ersten Schuss aufgeblickt. Der dritte Schuss riss ihm die Mac-10 aus der Hand. Der vierte zerschmetterte ihm das linke Knie. Jetzt lag er heulend am Boden.
Aliks war entsetzt über die Grausamkeit, die sie an Carver gar nicht kannte. Er teilte die Qualen aus, die er erlitten hatte.
Er stand bei Titow und jagte ihm eine Kugel in den Oberschenkel, dass eine tödliche Fontäne aus der Arterie in die Luft schoss.
Dann drehte er sich zu Kursk um und trat ihn, sodass er den Rücken durchbog und ihm die Brust entgegenstreckte. Carver schoss ihm in die linke Lunge.
Kursk war noch am Leben, aber er schrie nicht mehr; er röchelte nur noch.
Carver gab zwei weitere Schüsse ab.
»Hör auf!«, schrie Aliks. »Um Gottes willen, hör auf!«
Beim Klang ihrer Stimme richtete sich Carver kerzengerade auf. Er sah sich verwirrt um. Der Sturm, der in ihm gewütet hatte, legte sich so plötzlich wieder, wie er gekommen war. Er ließ die Waffe sinken. Er sah die Männer am Boden an, als würde er sie nicht kennen und wüsste nicht, wie sie dahin gekommen waren.
Aliks ging das Stück Straße hinauf und nahm Carver die Pistole aus der Hand. »Komm«, sagte sie freundlich. »Es ist vorbei.«
Er nickte stumm und ließ sich von ihr zum Vordertor bringen. An einem Pfeiler neben der Einfahrt drückte Aliks den Knopf an einem Tastenfeld, und das Tor fuhr zur Seite. Sie traten auf die Straße. Im selben Augenblick wurde ein Motor angelassen, und zwei Scheinwerfer flammten auf, die ihnen entgegen leuchteten.
Carver wurde von den Lichtkegeln geblendet, als ihnen der Wagen entgegenrollte. Er blieb abrupt stehen, nahm den Kopf schützend zwischen die Arme und duckte sich stöhnend.
Die Wagentür öffnete sich und eine große Gestalt stieg aus. Aliks hob die Pistole und beschirmte sich mit der anderen Hand die Augen.
»Keine Bewegung!«, rief sie.
»He, keine Aufregung.« Aliks erkannte erleichtert Larssons Stimme.
Der schlaksige Schwede kam auf sie zugeschlendert und versuchte Carver zu beruhigen, der sich wieder in den Zustand des Vergessens zurückgezogen hatte.
»Ich habe schon angefangen, mir euretwegen Sorgen zu machen«, sagte Larsson. Er schaute sich Carver genauer an. »Was ist denn mit dem passiert?«
SAMSTAG, 6. SEPTEMBER
85
Die Spätsommersonne sprenkelte das Wasser des Genfer Sees und schickte flimmernde Lichtwellen über das Dach des Sanatoriums. Das Haus hatte einen großen, hellen Aufenthaltsraum, doch an diesem schönen Sonntagmittag saß dort nur ein einzelner Patient.
Er saß in einem Rollstuhl vor dem Fernseher. Der Patient schien
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