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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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hervor und fielen ihm über die Augen. Seine Fingernägel waren schmutzig. Und seine Zähne – nun, sie würde ihn mit der Errungenschaft der Zahnbürste bekannt machen müssen, sonst würde er mit Zwanzig keine mehr brauchen.
    Aber da kam wieder der Wind, eine heftige Bö, die Sandkörner wie winzige Schrotkugeln vor sich her trieb. »Na gut«, sagte sie, und wieder glotzte er sie nur an. Ein langer Augenblick verstrich. »Ich meine: Worauf warten wir eigentlich?«
    Nachdem sie den Schlitten beladen hatten, war kein Platz mehr für Edith, und so blieb sie zurück, um Ida und den Männern zu helfen, das Ruderboot zu entladen, das zwischen dem Schoner und dem Strand hin und her fuhr. Edith hatte ihr in den Ohren gelegen – sie wollte auch hinauf, wollte das Haus und ihr Zimmer und die Schafe sehen, und warum konnte sie denn nicht einfach mitgehen? –, aber Marantha hatte sich nicht erweichen lassen. Sie wurde hier unten gebraucht, am Strand, und das Haus würde sie noch früh genug sehen. Während dieses Wortwechsels, der dank Edith und ihrem Temperament länger dauerte, als er hätte dauern sollen, starrte Jimmie auf seine Schuhe, und als Edith sich schließlich umdrehte und davonstakste, gab er dem Maultier einen Klaps, und sie setzten sich in Bewegung.
    Der Junge führte das Tier am Zügel und ging mit schlaksigen Schritten, schlendernd, als würde er bloß einen Spaziergang machen, dabei war der Weg steil, und das Maultier tat sich schwer. Schon nach wenigen Minuten dampften seine Flanken. Die Hufe wirbelten Matsch und Steine auf, und zwei-, drei-, nein, viermal wurde Marantha bespritzt. Sie konnte den stinkenden, stoßweisen Atem des Tieres riechen, der an seinem Rumpf vorbeistrich, getragen vom Wind, der jetzt, da sie an Höhe gewannen, noch stärker wurde. Ihr Hals schmerzte. Ihr Mund war ausgetrocknet. Sie nahm sich zusammen und hielt sich an den Armlehnen des heftig schwankenden Schaukelstuhls fest, während die schweren Kufen des Schlittens über die Erde schrammten und zwei tiefe Furchen hinterließen.
    Sie sah, dass der Weg an der Wand einer Schlucht hinaufführte, auf deren Grund, zehn, fünfzehn Meter unter ihnen, ein schmaler, schlammiger Bach floss. Der Himmel war einförmig grau. Vögel stoben aus dem Gebüsch auf, flogen quer über die Schlucht und verschwanden. Das Maultier keuchte und schnaufte. Sie spürte einen Hustenreiz und kämpfte dagegen an, atmete tief durch die Nase und hielt sich so aufrecht wie möglich. Der Schaukelstuhl ächzte, die Kufen knirschten. Und dann, als sie schon dachte, sie würden immer weiter bergauf fahren, bis sie über den Wolken waren und einen ganz neuen Kontinent im Himmel erreichten, kamen sie, empfangen von einer windverwehten Sandwolke, auf ein Plateau, und da war das Haus.
    Sie brauchte einen Augenblick, um alles in sich aufzunehmen. Das Maultier wirbelte Erde auf, der Junge lenkte den Schlitten in einem großen Bogen über den Vorplatz, so dass er später wieder in die Schlucht hinunterfahren konnte, griff dann nach dem Kummet und hielt das Tier an. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte – irgendein altmodisches, ländliches, mit Efeu überwachsenes Haus wie aus einem Bild von Constable oder Turner, Hecken, Blumenbeete, ein Holzzaun, ein Schäferhaus eben –, doch das hier war etwas vollkommen anderes. Das konnte nicht sein – oder doch? Sie sah den Jungen an, in der Hoffnung, er werde ihr diesen Scherz erklären: Dies war die Scheune, das Dienstbotenhaus, die Baracke für die Hirten oder was auch immer, und gleich würde er das Maultier wieder antreiben und sie zum eigentlichen Haus bringen, ganz bestimmt ... Doch dann sah sie, dass es keine anderen Gebäude gab und in dieser leeren Weite auch nicht geben konnte. Jimmie beobachtete sie. Eine Bö schlug ihr ins Gesicht. Das Maultier erschauerte, hob den Schwanz und ließ seinen Kot auf die kahle Erde fallen. Marantha stemmte sich hoch, stieg vom Schlitten und ging über den Vorplatz.
    Ihr erster Eindruck war der von Nacktheit. Nackte Mauern mit mickrig kleinen Fenstern, und über den sandbedeckten Vorplatz ging ihr Blick in alle Richtungen über endloses, von Schafen verbissenes Buschland ohne einen einzigen Baum, einen einzigen Strauch, eine einzige Efeuranke. Es hatte nichts auch nur entfernt Altmodisches oder Gemütliches an sich. Es sah aus, als wäre es von einem Wirbelsturm in die Luft gehoben und mitten in der arabischen Wüste wieder abgesetzt worden. Wo waren die Kamele? Die Frauen in

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