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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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aufmerksam die schmalen, windschiefen Fischerhäuser von Collioure, die sich auch außerhalb stürmischer Tage aneinander- und zugleich an den felsigen Hügel krallten, auf dem sie standen.
    Sancha mochte vor allem die Meerseite. „ Zieh, mein neues Liedlein, bevor es windet, regnet oder friert ... “, sang sie den heranrollenden Wellen entgegen und stürzte sich dabei, wie immer, wenn sie allein hier oben war, auf die Gedanken an Miraval, die stets dieselben waren, wie auch der Schmerz sich nie veränderte, den sie dabei empfand. Niemand ahnte, welch verzehrendes Feuer noch immer in ihr brannte, wie sehr sie auf ein Lebenszeichen ihres Geliebten hoffte und ein neuerliches Zusammentreffen geradezu heraufbeschwor. Schier untröstlich war sie daher über den Umstand, dass sie sich Miravals Antlitz kaum noch vergegenwärtigen konnte, obwohl sie doch jede einzelne Falte seines Gesichtes kannte, die Form seiner Lippen, die Farbe seiner Augen. Früher war er einfach da gewesen, wenn sie die ihre Augen schloss und an ihn dachte, jetzt verflüchtigte sich sein Bild von Tag zu Tag. Bald würde ihr nur der ärmliche Trost bleiben, dass er sie liebte. Ja, er liebte sie. Nicht einen Wimpernschlag lang zweifelte sie daran.
    Wer hier auf Erden will gedeih`n, muss eine Zeitlang närrisch sein ... Sancha seufzte. Wie gern wäre sie wieder einmal von Herzen närrisch! Aber was galt ein Vergnügen, das man nicht mit demjenigen teilen konnte, der so zu lachen verstand wie man selbst? Sancha griff in ihre schwarze Mähne und riss sich ein paar Haare aus, damit es nicht immer nur in ihrem Inneren schmerzte. Ein närrisches, törichtes Tun, fürwahr! Doch wer wollte es ihr verbieten? Die Weisheit des Alters war noch nicht über sie gekommen. Eine Zeitlang närrisch sein! Sancha warf einen hilfeheischenden Blick zum Himmel hinauf. Dann – abgelenkt durch das Gekreische einiger Möwen – riss sie sich zusammen und beobachtete die Fischer, die gerade ihre Boote an den Strand zerrten. Im Windschatten des Phare, aus dem tagsüber Rauch aufstieg und nachts ein Feuer brannte, standen ihre Weiber, eng an eng gedrängt, schwarz, ameisengleich, alterslos, geflochtene Körbe zu ihren Füßen, stoisch darauf wartend, den Fang in den Ort zu schleppen. Sancha hatte Mitleid auch mit diesen Frauen. Sie legte ihre Hand vor den Mund und blies ihnen, gewissermaßen zum Ausgleich für die Unberechenbarkeit ihres sowieso schon kargen Daseins, ein paar närrische Wünsche hinunter. Verliebte, heitere, wundersame – bunt gemischt. Arm sein war Schicksal - aber das bedeutete noch lange nicht, dass arme Frauen kein Recht auf Träume hatten.
    Nur, gleich ob arm oder reich, allzu überdreht oder gar leichtsinnig durfte man nicht sein: In einem Anfall von Geschwätzigkeit hatte sie kürzlich Leonora – natürlich nur wie nebenbei! - vorgeschlagen, hier in Collioure einen Musenhof einzurichten, einen berühmten Cour d`Amour, wie ihn Raymonds Schwester Adela ï de seinerzeit in Carcassonne errichtet hatte. „Könntest du dir vorstellen, einen Wettstreit auszurufen und dazu alle führenden Troubadoure des Landes einzuladen?“, hatte sie Leonora wirklich nur wie beiläufig gefragt.
    „ Alle führenden Troubadoure?“ Ihre Schwester, die hier in Collioure in Pedros und Maries Gemächern wohnte – Gott sei ihrer Seele gnädig! -, hatte sie nur schief von der Seite her angesehen und den einzigen Namen, den Sancha hatte hören wollen, vermutlich ihr zum Trotz nicht ausgesprochen. Nun, Leonora war schon immer weise und vernünftig gewesen. Aber sie schwieg zu viel, so dass man sich langsam fragte, ob sie sich nach Pedros Tod und Raymonds Rückzug nach England selbst das Reden verboten hatte. Das Reden und das Lachen! Und das Träumen! Welche Kraft es sie wohl kostete, ihre Gedanken, Leidenschaften, Gefühle und Wünsche vor aller Welt – ja, vielleicht sogar vor sich selbst zu verbergen?
    Bei Gott, wenigstens ist der dunkle Winter bald vorbei , dachte Sancha, während sie den Sturzflug einer weißen Möwe verfolgte. Spätestens in der nächsten Woche würden die schweren Ledervorhänge abgenommen, die Halle, die Gemächer und Kammern gelüftet und gereinigt werden. Dann würde vielleicht auch Leonora wieder einmal vergnügt sein. Dann konnten sie auch wieder an einen Ausritt denken, hinauf zur Eremitage, wo es ihnen beiden so gut gefiel. Hagelstein – ohne den Narren wäre sie in diesem Winter im Kopf verhungert! - würde sie begleiten und unterwegs Ausschau nach

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