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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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ersten Kräutern halten. Und bald kam auch Petronilla zurück. Roçs Tochter sei inzwischen alt genug, um von Nonnen erzogen zu werden, hatte Leonora kürzlich überraschend entschieden, und noch am selben Tag Reiter losgeschickt, um Petronilla abzuholen. Sancha freute sich. Gala diente ihr gut, aber sie war zu jung. Es war schwierig, mit ihr über Dinge zu reden, über die Frauen, gleich welchen Standes, manchmal reden mussten. Der weisen Entscheidung vorausgegangen war ein Brief, den ihr Petronilla über einen Reiterknecht hatte zukommen lassen: Roç, auf dem Weg nach Rom, war erneut bei Rosaire und seiner Tochter gewesen. Wütend darüber, war sie mit Leonora fast in Streit geraten:
    „Wenn er bei seiner Magd Halt macht, wieso nicht auch hier in Collioure, bei seiner Frau?“, hatte sie sich bitterlich beschwert. Über Leonoras Gesicht war jedoch nicht der leiseste Schimmer eines Missfallens gehuscht. Ja, sie hatte Roç sogar in Schutz genommen und gemeint, es sei eher ein Zeichen seiner Klugheit gewesen, Collioure auf dem Weg nach Rom zu meiden. „Versteh doch, Sancha, jeder, der hier im Schloss ein- und ausgeht, wird gnadenlos beäugt.“
    „Aber wer hätte ihn denn erkennen sollen, im Kaufmannstuch?“
    „Zum Beispiel die hiesigen Templer. Es geht nicht nur um dich, meine Liebe, es geht um Toulouse.“
    Um Toulouse …
    Dunkle Wolken hatten sich über dem Ausguck zusammengeballt und es hatte zu tröpfeln begonnen. Die Fischer und ihre Frauen waren verschwunden. Während sich Sancha die Fellkapuze über den Kopf stülpte, fragte sie sich, was sie eigentlich davon abhielt, diesen unwirtlichen Ort wieder zu verlassen und sich noch einmal ins warme Bett zu legen. Der Gedanke an die Templer?
    Kürzlich war sie an einem ähnlich stürmischen Morgen Zeugin der Ankunft eines fremden Ritters gewesen: Ein Rundschiff hatte angelegt und den Mann ausgespuckt, nur ihn, keinen zweiten, kein Ross, auch keine Ladung. Das allein war so ungewöhnlich gewesen, dass Sancha bei der darauffolgenden Messe (die Templer suchten an Sonn- und Feiertagen gemeinsam mit ihnen die königliche Kapelle auf) einen mehr als neugierigen Blick auf den Mann warf. Dabei hatte sie sich ziemlich erschrocken. Ah, im Namen Gottes, dieses fliehende Kinn! Sie hatte es schon einmal gesehen, bloß wo? Am Nachmittag dann, war ihr nach langem Grübeln „das Vogelgesicht“ eingefallen, von dem ihr Miraval erzählt hatte. Sancha hatte sich sofort erinnert: Die Hitze, das ausgetrocknete Flussbett, das schwere Gewitter und die Höhle, in die sich Miraval und die Templer geflüchtet hatten. Dann der vom Blitz erschlagene Pater Robert, den sie in der Komturei Mozón kennengelernt hatte. Doch ein Ritter mit fliehendem Kinn war ihr dort nicht aufgefallen. Aber vielleicht hatte sich das Vogelgesicht in Toulouse unter den Rittern befunden, die Raymond huldigten - in jener dunklen Nacht, in der der leichtsinnige Knappe verschwand. Nun, hätte es sich geziemt, würde sie Balduin von Lizerant, den hiesigen Komtur nach der Herkunft des Ritters gefragt haben. Doch obwohl sie sich gegenseitig Gastfreundschaft gewährten, segelte Lizerants Nase für gewöhnlich hoch am Wind. Bei Gott, er gebärdete wie ein kleiner König und betrachtete sie, die Gräfinnen, als Eindringlinge in sein Reich. Dabei verhielt es sich genau umgekehrt: Pedro hatte zu seinen Lebzeiten den Rittern des Salomonischen Tempels eine Parzelle im Bereich seines hiesigen Schlosses überantwortet und ihnen großzügig erlaubt, darauf einen befestigten Hof zu errichten, sowie alle Gebäude, die sie für notwendig erachteten. Seitdem nutzten die Templer rege den durch seine ruhige Bucht günstig gelegenen Hafen für ihre Geschäfte und ihre Reisen übers Meer. Dass die Ritter ihnen im Gegenzug Schutz gewährten, war von Pedro – Pacta sunt servanda! – schriftlich vereinbart worden. Doch Lizerant – sie schätzte ihn auf ungefähr vierzig Jahre - ignorierte diesen Vertragspunkt; er weigerte sich sogar, Leonora und sie auf ihren Ausritten von zwei Dienenden Brüdern begleiten zu lassen.
    Während Sancha sich noch den Kopf über das Vogelgesicht und den arroganten Lizerant zerbrochen hatte, waren von den Bergen her weitere Sturmwolken aufgezogen. Das Meer unterhalb des Schlosses, wo die Brandung aufschlug, hatte sich zusehends schwarz verfärbt. Weiter draußen war es grün geworden. Grünschillernd wie Raymonds Sittiche, die sie, Sancha, derzeit in ihrer Obhut hatte. Nur am Horizont, da hatte das Meer

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